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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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die mit ernsten Mienen hinter ihm schritt. Seine Witwe, eine zerbrechliche Gestalt, deren Gesicht hinter einem am Hut befestigten Schleier verborgen war, wurde von zwei Frauen gestützt; die Strenge ihrer schwarzen Trauerkleidung ergänzte die eindrucksvollen kastilischen Züge. Hinter den Töchtern ging, mit seiner Ehefrau an der Seite, wie ich annahm, Bartolomé de Valdivia, unverkennbar der Sohn seines Vaters, bis in den kurzen, schon grau werdenden Bart hinein. Wiederum dahinter folgten zwei Männer und eine Schar Mädchen und Jungen im Teenageralter, die Schwiegersöhne und Enkel. Diese Gruppe der engsten Angehörigen umgab eine Atmosphäre der Traurigkeit, die über die grausamen Umstände von Dr. de Valdivias Tod hinausging, eine tragische Unterströmung, die ich nicht recht greifen konnte.
    Sie spiegelte sich auch im Gesicht des Priesters, als er vor der großen Familiengruft auf dem Friedhof noch einmal predigte. Das Messgewand flatterte ihm um die Beine, und der Wind trug seine Worte außer Hörweite derjenigen von uns, die am Rand der Menge zwischen den Grabmonumenten im Stil Yukatans standen. An diesem grauen, stürmischen Tag lenkten die Blau und Cremetöne, das Rosa und Hellgrün der Gräber und Grabgewölbe meine Aufmerksamkeit eine Weile ab, während die Leute um mich herum etwas anstimmten, was wohl der Rosenkranz war.
    Die Gräber befanden sich alle über der Erde, wie Miniaturhäuser, mit fensterartigen Öffnungen oder Metallgittern ausgestattet, hinter denen sich Schreine, Blumen und vermutlich die Toten befanden, eingeschlossen in Räume aus Beton; manche dieser Räume waren Anbauten, genau wie bei einem Haus. Soviel ich wusste, wurden die Toten in Yukatan hauptsächlich oberirdisch bestattet; nach etwa drei, vier Jahren verlegte man die Gebeine in kleinere Behälter, um Platz für das nächste Familienmitglied zu machen, das starb. Ich bemerkte, dass viele der Bauten auf dem Friedhof von puppenhausgroßen Darstellungen der Pyramide Kukulkans in Chichen Itza gekrönt wurden, ein weiterer Beleg für die Kraft des Mayaerbes im Volk.
    Dann fiel mir ein Vorgang an der Gruft der de Valdivias auf, den ich ebenfalls für einen Mayabrauch hielt. Die Leute warfen als Abschiedsgeste orangegelbe Blumen durch das Tor in die Gruft, wo nun der Sarg in einem Fach stand, das man später wahrscheinlich versiegelte.
    »Totenblumen«, sagte eine Stimme hinter mir. Ich fuhr herum und sah Sanchez. Er trug einen langen blauen Regenmantel und ein schwarzes Polohemd. Widerwillig gestand ich mir einmal mehr ein, dass er ein gut aussehender Mann war, auch wenn ich ihn für heimlichtuerisch und vielleicht sogar unehrlich hielt.
    »Gelbe Ringelblumen. Sie gehen sehr schnell ein, sobald sie geschnitten sind.«
    »Will sagen, das Leben ist kurz?«, schlug ich vor. Sanchez näherte sich, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. »Deshalb soll man es in vollen Zügen leben , solange man kann.«
    Ich war ein wenig verblüfft; das ließ sich als Annäherungsversuch interpretieren, obwohl er doch schwerlich hier auf dem Friedhof, während einer Trauerfeier, einen solchen unternehmen würde. Für alle Fälle konnte es aber nicht schaden, seine Leidenschaft zu dämpfen. »Finden Sie Ihre nationale Begeisterung für Todessymbole nicht schrecklich makaber?«
    Sanchez ließ sich leicht ablenken. »Es ist eine gesunde Erkenntnis, dass der Tod stets unter uns ist. Dass er uns ständig ansieht. In Ihrem Land gilt es dagegen als unhöflich, davon zu sprechen. Da geschieht es nur hinter der Bühne, nicht im Stück selbst.«
    »Hübsch gesagt. Das wäre Dr. de Valdivias selbst würdig gewesen«, fügte ich an und setzte mich in Richtung Friedhofstor in Bewegung.
    Sanchez begleitete mich. »Sie haben in der kurzen Zeit , da Sie ihn kannten, große Achtung vor Dr. de Valdivia entwickelt.«
    Sanchez deutete damit seine Skepsis hinsichtlich der Gründe für meinen Besuch an.
    »Eigentlich nicht.«
    »Es hat Sie aber doch wohl einige Mühe gekostet, heute hierher zu gelangen.«
    Was meinte er damit? Wusste er Bescheid über mein Dilemma und wie ich es gelöst hatte?
    Er sah, dass ich ihn fragend musterte. »Ich meine den Sturm.«
    »Wie ich schon sagte, bin ich gekommen, um seine Familie ein wenig zu trösten. Damit sie wissen, dass er nicht vor Todesangst schreiend gestorben ist.«
    Wir hatten das offene Tor zur Straße erreicht, wo die Leute auf der Flucht vor dem Regen zu ihren Autos rannten.
    »Lassen Sie uns Bartolomé suchen, damit ich Sie

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