Das Maya-Ritual
vorstellen kann«, sagte Sanchez, drehte sich um und blickte sich forschend unter dem Rest der Trauergemeinde um, die sich hinter uns zerstreute. Aber ich hatte Bartolomé bereits während unseres Gesprächs vorüberhuschen sehen.
»Ich weiß, wie er aussieht, es ist also nicht nötig, uns einander vorzustellen, danke.«
»Sind Sie sicher?« Er wusste, er wurde abgewimmelt, was ihn nur umso misstrauischer machen musste. Aber ich genoss seinen Frust darüber, dass er nicht herausfinden konnte, welche anderen Gründe mich nach Mérida geführt hatten.
»Ja. Auf Wiedersehen, Captain Sanchez.« Zu seiner Verwunderung ging ich durch das Tor auf die Straße hinaus, während er dastand und die Gesichter der vorüberflutenden Menge absuchte.
Ich holte Bartolomé de Valdivia ein, als er sich ins Fenster einer schwarzen Limousine beugte, um mit seiner Mutter zu sprechen, die offenbar während der Beerdigung zusammen mit einer ihrer Töchter im Wagen geblieben war. Ich hielt mich im Hintergrund, während er nickte und sich seiner anderen Schwester zuwandte, die ebenfalls beim Auto eintraf; er öffnete ihr die Tür, damit sie einsteigen konnte. Bartolomés Frau war mit den beiden Jungen bereits vorausgegangen, und er stemmte sich nun gegen den Wind, um ihnen zu folgen.
»Senor de Valdivia?« Ich hob die Stimme, damit er mich bemerkte.
Er drehte sich um und sah erstaunt aus. »Ja…?«
»Ich bin Jessica Madison.«
»Ah.« Seine Miene drückte noch immer Verwunderung aus. Dann klickte etwas. »Ah«, sagte er in vollkommen anderem Tonfall. »Senorita Madison. Sie haben meinen Vater gefunden.«
»Ja. Es tut mir so Leid wegen seines Todes.«
»Natürlich. Aber es muss ein schreckliches Erlebnis für Sie gewesen sein…«
Er blickte sich um, weil sein Name gerufen wurde. Er wandte sich wieder mir zu, unschlüssig, was er tun sollte.
»Ihr Vater sagte, ich solle mit Ihnen reden«, sagte ich.
Er blinzelte mich an, nunmehr aufs Neue verwirrt.
»Captain Sanchez erwähnte so etwas… Ich fürchte, ich habe es in diesem Moment gar nicht registriert. Vielleicht könnten wir uns ein andermal unterhalten?«
»Ich würde es nicht wagen, Ihre Trauer zu stören, wenn Ihr Vater nicht unbedingt gewollt hätte, dass ich einige Informationen erhalte. Und Sie sind derjenige, der sie mir geben kann.«
»Welche Informationen? Über die Cruzob, oder? Ich glaube nicht, dass ich Ihnen sehr viel mehr erzählen kann als…« Er schaute zur Seite, wo ein silberner Mercedes neben uns an den Straßenrand gefahren war.
»Ich glaube, Ihr Vater hatte Informationen über eine Krankheit, die meinen Freund und Geschäftspartner getötet hat.«
Bartolomé blickte die Straße hinauf und hinunter, dann sah er wieder mich an. »Sie kommen besser mit uns. Haben Sie einen Wagen, oder können wir Sie mitnehmen?«
Ich sah seine Frau am Lenkrad und die Kinder, die uns vom Rücksitz aus anstarrten.
»Ich folge Ihnen, wenn Sie erlauben. Warten Sie nur eine Minute.«
Ich ging mit raschen Schritten in die Seitenstraße, während Bartolomé seiner Frau und den Kindern erklärte, wer ich war. In weniger als einer Minute rollte ich hinter den Mercedes, und wir brachen im Konvoi auf.
Bald erreichten wir die grünen Vororte der alten Stadt und fuhren an den prächtigen Villen vorbei, die die Henequen- Händler im neunzehnten Jahrhundert errichtet hatten. Henequen oder Sisalfaser war die Hauptstütze der Wirtschaft Yukatans, bis nach dem Zweiten Weltkrieg billigere Synthetikfasern entwickelt wurden und die Industrie zusammenbrach.
Der Mercedes verlangsamte vor einem hohen, schmiedeeisernen Tor mit grünem und goldenem Maßwerk, hinter dem Stufen zu einem stuckverzierten Herrenhaus emporführten. Während sich die Torflügel automatisch öffneten, stieg Bartolomé aus und ging auf meinen Wagen zu. Ich hielt am Bordstein und ließ das Seitenfenster herunter.
»Kommen Sie herein, dann unterhalten wir uns unter vier Augen«, sagte er. »Wenn ich Sie meiner Mutter und den anderen allen vorstellen würde, müssten Sie bis morgen früh erzählen. Außerdem gibt es Dinge, die sie nicht erfahren sollen.«
»Ich halte mich durchaus für taktvoll, was die Gefühle anderer angeht«, sagte ich. »Aber ich verstehe, dass Sie sich schützend vor Ihre Familie stellen.«
»Ich wollte nicht unhöflich sein, Senorita. Bitte kommen Sie mit ins Haus.«
Ich kletterte aus dem Land Cruiser und streifte mein Kopftuch ab, da der Regen aufgehört hatte.
Als wir durch das Tor gingen,
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