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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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RÜCKRUF. DRINGEND!
    Ich sah nach, um welche Zeit die SMS gesendet worden war. 10.23 Uhr. Um diese Zeit war ich in der Kathedrale gewesen, und seitdem hatte ich das Telefon nicht mehr eingeschaltet. Es war jetzt dreieinhalb Stunden später. Ich benutzte den automatischen Rückruf und hörte meine eigene Ansage. Hier Jessica Madison. Ich kann Ihren Anruf im Moment nicht entgegennehmen, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. Ich dachte, wie sonderbar es war, auf meinem eigenen Telefon um einen Rückruf zu bitten, dann sagte ich, wo ich war, und forderte Deirdre auf, mich anzurufen.
    Was wohl los war? Vielleicht hatte Herbie Kastner versucht, mich wegen der Proben zu erreichen, die ich ihm über meinen Vater geschickt hatte. Aber das war unwahrscheinlich - meine Eltern dürften jetzt erst bei ihm eintreffen, und auch das nur, wenn der Flug pünktlich gelandet war. Genauso gut konnte es sein, dass der Flug umgeleitet worden war und dass meine Mutter im Tauchclub angerufen hatte, um mir Bescheid zu geben. Ich versuchte es unter der Festnetznummer des Ladens; es läutete, aber niemand ging ran. Möglicherweise war Alfredo mit einer Gruppe von Tauchern rausgefahren. Aber wo steckte Deirdre? Ich wählte Alfredos Nummer. Auch dort nur die Mailbox. Schließlich tippte ich eine Textnachricht und schickte sie an Deirdre.
    AUF WEG N. CANCUN. BITTE ANTWORT.
    Es hatte wenig Sinn, weiter zu spekulieren. Und überhaupt wollte ich über mein Gespräch mit Bartolomé de Valdivia nachdenken. Ich versuchte, ein Bild der unterirdischen Wasserwelt heraufzubeschwören, über die ich gerade hinwegfuhr. Bartolomés Vergleich mit dem Apfelkuchen erfüllte seinen Zweck für den Krater, aber die durchlöcherte Karstplatte, die ich im Augenblick überquerte, beschrieb er nicht angemessen. Ich wusste jedoch, dass das Bild, das mir vorschwebte, ebenfalls mit Essen zu tun hatte. Schließlich kam ich darauf. Ich war wieder im Erdkundeunterricht, umgeben von johlenden Kindern, und Miss Taylor, unsere Lehrerin, forderte mich auf, ihr etwas zu zeigen, das sich in einer Papiertüte auf meinem Pult befand. Als ich es tat, hielten sich meine Klassenkameraden die Nase zu und kicherten. Verlegen schaute ich mich auf ihren Pulten um und sah, dass auf beinahe jedem ein Badeschwamm oder einer dieser flachen, gelben Wischaufsetzer lag, mit denen man nasse Fußböden aufwischt.
    Miss Taylor machte große Augen, als ich den Inhalt meiner Papiertüte enthüllte - ein Stück Gorgonzola in einer Zellophanhülle. Sie hatte uns gebeten, einen Gegenstand mitzubringen, der sich unserer Ansicht nach mit dem aktuellen Unterrichtsgegenstand vergleichen ließ, und als ich das meinem Vater erzählt hatte, war er losgegangen und hatte den Käse gekauft, im Gegensatz zu allen anderen Eltern, die wahrscheinlich als Schüler schon vor der gleichen Herausforderung gestanden hatten und wussten, dass die Lehrerin einen Badeschwamm erwartete.
    Doch als Miss Taylor dann den von Schimmel übersäten Käse hochhielt und das Zellophan entfernte, begann sie, positive Bemerkungen darüber zu machen. Das höhnische Gelächter verstummte, als sie mir zu meinem Querschnitt des Erduntergrunds gratulierte, mit seinen graublauen Adern und Gräben, die Wasserläufe darstellten, manche parallel zur Oberfläche, andere durch sie hindurchstoßend. Und als sie den Käse in zwei Hälften schnitt, kannte ihre Begeisterung keine Grenzen mehr, da Spalten, Höhlen und Kammern in allen Formen und Größen zum Vorschein kamen. Mein Gorgonzola war, von seinem Geruch abgesehen, das ideale Modell. Und was sollte er darstellen? Die Kalksteintopografie meines Heimatstaates Florida, eine Karstebene ähnlich der Halbinsel Yukatan. Ich lächelte in mich hinein, als ich überlegte, ob seither wohl eine Generation von Schulkindern Miss Taylors Klassenzimmer durchlaufen hatte und es an einem bestimmtem Tag im Jahr stets sehr reif geduftet hatte.
    Ich war so in Gedanken versunken, dass mir nicht aufgefallen war, wie ich auf einer Strecke von gut zwanzig Kilometern mindestens zehn Armeefahrzeuge überholt hatte, die auf dem Seitenstreifen dahinbummelten, hauptsächlich Jeeps. Erst als ein Hubschrauber in der gleichen Richtung tief über mich hinwegknatterte, wurde ich aufmerksam, und inzwischen konnte ich auf der Schnellstraße vor mir eine Reihe grüner Militärfahrzeuge erkennen, darunter richtige Panzer. Ich hatte den Hauptteil des Konvois erreicht, der sich außerhalb eines Dorfes namens Xcan versammelte, an der

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