Das Maya-Ritual
Vater hinzugezogen? Er schien selbst ein bisschen verwundert darüber zu sein.«
»Das lag an seiner natürlichen Bescheidenheit. Er war nicht nur ein großartiger Pathologe, sondern hatte auch ein Buch - das einzige - über diese rätselhafte Krankheit geschrieben. Außerdem musste die Bundespolizei den Ausbruch geheim halten, und da sich mein Vater nicht mehr in medizinischen oder juristischen Kreisen bewegte , war er genau der richtige Mann.«
»Konnte er nachweisen, ob die Dorfbewohner an diesem… Amhakimil gestorben waren oder nicht?«
»Er war davon überzeugt. Aber die Polizei hat eine sofortige Nachrichtensperre zu dem Vorfall verhängt.«
»Aber das verstehe ich nicht. Wem war denn damit gedient, wenn man es vertuschte?«
»Der Tourismusindustrie zum Beispiel.«
Es war so widersinnig. Eine Industrie, die die geheimnisvollen Maya feierte und dann von genau dem bedroht wurde, was die Maya so geheimnisvoll gemacht hatte. Ich blickte auf den dampfenden Garten hinaus und sagte:
»Aber die klimatischen Bedingungen für einen Ausbruch scheinen nicht gegeben zu sein. Es gab keine lang anhaltende Dürre, sodass Wasser aus dem Tiefenreservoir emporgezogen wurde.«
»Dem Augenschein nach nicht. Tatsächlich aber ist das Klima in diesem Teil der Welt im letzten Jahrhundert trockener geworden - ein Prozess, den die globale Erwärmung jetzt noch beschleunigt. Addieren Sie dazu noch die neuen Entwicklungen in Industrie und Tourismus, die einen gewaltigen Bedarf an Wasser haben und den Grundwasserspiegel absenken. Können Sie sich vorstellen, was allein Cancun verbraucht? Man sollte meinen, sie hätten vom Fall Mexico City gelernt - das sackt bereits ab wegen des vielen Wassers, das sie aus der Erde unter der Stadt gesaugt haben. Und in Florida muss man Oberflächenwasser mit hohem Druck in den Untergrund pumpen, um das Tiefenreservoir wieder aufzufüllen.« Er lächelte grimmig. »Natürlich ist hier und dort noch immer Süßwasser in großen Lagerstätten in der Erde eingeschlossen, deshalb entwickelt sich Wasserbergbau zu einer bedeutenden Industrie. Aber die Vorräte sind begrenzt. Wenn Sie also die Spannungen wegen des Öls schon schlimm genug finden, dann warten Sie erst einmal auf die Wasserkriege.«
Wir dachten beide eine kleine Weile darüber nach. Bartolomé schaute auf die Uhr. Er saß bereits seit über einer Stunde mit mir zusammen.
»Ich halte Sie von Ihrer Familie fern«, sagte ich. »Tut mir Leid.«
»Nein, darum geht es nicht.« Er drückte den Zigarrenstummel in einem Aschenbecher auf dem Kaminsims aus.
»Sie gehen wohl gerade zum Mittagessen ins Speisezimmer, deshalb kann ich jetzt unbemerkt ins Arbeitszimmer meines Vaters.«
Als er den Raum verlassen hatte, stand ich auf und schlenderte zum Kamin, um mir das Bild anzusehen. Es war im Stil eines karibischen Ölgemäldes aus dem achtzehnten Jahrhundert gemalt, wie es in der Villa eines Gouverneurs der Kolonialmacht gehangen haben mochte, und trug den Titel Junge Mulattin. Allerdings war dieses Mädchen in ihrem weißen huipil und mit der roten Hibiskusblüte im Haar zweifellos eine Maya. Und ohne Frage eine Schönheit.
Ich betrachtete noch immer das Mädchen, als Bartolomé mit einem schwarzen Aktenkoffer unter dem Arm wiederkam. »Eines der antiken Gemälde meines Vaters«, sagte er und warf einen Blick auf das Bild, als er den Koffer auf einen Tisch in der Mitte des Raumes stellte.
»Sie ist sehr hübsch«, sagte ich. »Aber wissen Sie genau, dass das Bild so alt ist?« Auf der Leinwand war keine Alterspatina erkennbar, es stammte also schwerlich aus dem achtzehnten Jahrhundert.
»Hm…?« Bartolomé sichtete Dokumente in dem Aktenkoffer und achtete kaum auf mich. »Hier drin sind Aufzeichnungen, an denen er gearbeitet hat«, sagte er, nahm einige Papiere heraus und legte sie auf den Tisch.
Eine Handglocke läutete von der Eingangshalle herauf.
»Ich habe jetzt nicht viel Zeit, sie zu ordnen. Vielleicht ein andermal.«
»Würden Sie die Papiere mir anvertrauen? Alle, meine ich? Wer weiß, was davon nützlich ist.« Das war natürlich viel verlangt, aber ich musste versuchen, an möglichst umfangreiche Belegstücke heranzukommen.
»Hm…« Er war unschlüssig. »Sogar das Leporello?«
Ich hätte nicht gewagt, es vorzuschlagen, aber nun hieß es jetzt oder nie. »Ich verspreche, ich bringe das Buch und alle anderen Unterlagen bis Ende der Woche wieder zurück.«
»Hm… ich habe das Gefühl, ich sollte Ihnen helfen, weil Sie so
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