Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
Vom Netzwerk:
sie ihn beäugte, und sah sich mit offener Neugierde seine Kleidung an. Der Mann hatte eindeutig nichts dagegen, wenn man ihn bewunderte. „Ist es nicht ziemlich viel Arbeit, das alles anzulegen?“
    „Daheim tragen wir schlichtere, lange nicht so reich verzierte Roben. Auch nur ein oder zwei, aus leichteren Stoffen. Gewänder wie diese sind nur für die Öffentlichkeit.“ Er wies auf das komplizierte Blumenmuster, das Saum und Revers seines obersten Gewandes zierte, kleine rote Edelsteine, die Rosensträuße bildeten. „Man muss bei der Auswahl sehr vorsichtig sein. Eine Robe, die dort, wo man sitzt, mit dicken Edelsteinen bestickt ist, kauft man nur einmal im Leben.“
    „Mit Flügeln auf dem Rücken ist es auch nicht gerade einfach, sich hinzusetzen.“
    „Dann leiden wir also beide unter unserer Kaste.“
    „Was ist mit dem Haar? Tragt Ihr so eine kunstvolle Frisur auch zu Hause?“
    Alisters Augen blitzten. „Nein! Wenn ich weiß, dass ich den ganzen Tag nicht aus dem Haus gehen werde, binde ich mein Haar einfach nur zusammen.“
    Taya nickte nachdenklich. Sie stellte sich Alister gerade in einer leichten, offenen Robe vor, die seiner guten Figur und der Kupferhaut schmeichelte, das glänzende Haar ein schwarzer, dichter Vorhang bis weit über auf seine Schultern. Das Bild verursachte ihr ein Kribbeln im Bauch. Alister sah auch in den juwelenbesetzten Roben eines Erhabenen blendend aus, aber ...
    Der Erhabene schien zu ahnen, was in ihr vorging, denn ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. Entschieden riss sich Taya von den verführerischen Bildern in ihrem Kopf los. „Ich bin keine der leichtlebigen Ikarierinnen!“rief sie sich streng ins Gedächtnis. Das stimmte: Sie hatte die in der Famulatenkaste vorherrschenden Ideen über Sittsamkeit und Anstand nie ganz ablegen können.
    „Was trägst du , wenn du zu Hause bist?“, wollte Alister jetzt wissen.
    „Nichts besonders Aufregendes. Meist eine bequeme Hose und eine Strickjacke.“ Vielleicht hatte Cassi ja doch recht, vielleicht kleidete sie sich zu einfach. Hose und Strickjacke – das klang ja nun nicht gerade erregend. „Ich bin in Tertius aufgewachsen“, fügte sie halb rechtfertigend hinzu. „Dort beurteilen wir Bekleidung nach ihrer Zweckmäßigkeit. Aber für das Fest bei Eurer Cousine lasse ich mir ein Kleid schneidern!“
    „Gut! Du siehst in diesem Anzug wirklich bezaubernd aus, aber in einem Kleid bekomme ich mehr von dir zu sehen.“
    „Was werdet Ihr tragen?“, fragte sie. „Wobei ich anmerken muss, dass Eure Gewänder Euch heute mindestens so sehr verhüllen wie mich dieser Anzug.“
    Alisters grüne Augen leuchteten auf.
    „Wie gerne würde ich vor dir angeben und locker gekleidet auf dem Fest erscheinen! Aber das kann ich Caster nicht zumuten, er wäre erschüttert, würde ich etwas anderes als formelle Festkleidung tragen. Wenn du mich in Freizeitkleidung erleben willst, dann musst du schon zu mir nach Hause kommen, fürchte ich.“
    „Ich glaube, das könnte ich nicht, das würde ich nicht wagen.“ Taya verspürte eine gewisse Erregung – jetzt begaben sie sich auf gefährliches Terrain!
    „Wenn du darauf bestehst, lade ich einen Freund als Anstandswauwau dazu.“ Alister tat so, als sei er von ihrer Antwort schwer enttäuscht.
    Glücklicherweise ersparte ein Klopfen an der Tür Taya die Antwort. Auf Alisters Geheiß trat, mit einem Tablett voller Speisen beladen, die Zofe ein. Dreimal musste die Frau den Weg ins Vorzimmer zurücklegen, ehe sie alles beisammen hatte, wobei Taya am liebsten aufgesprungen wäre, um ihr zu helfen. Aber sie zwang sich, sitzen zu bleiben wie jemand, der es gewohnt ist, sich bedienen zu lassen.
    „Habt Ihr sonst noch Wünsche, Erhabener?“ Die Zofe verneigte sich, unternahm aber, wie Taya feststellte, keine besonderen Anstrengungen, den Blick auf Alisters nacktes Gesicht zu vermeiden. Sie sah zwar zu Boden, wandte aber nicht auch noch zusätzlich den Kopf ab. „Ein weiteres Zugeständnis an die Erfordernisse des Alltagslebens“, dachte Taya. „Wie die eher beiläufigen Verneigungen und Grußbezeugungen im Oporphyrturm.“
    „Nein, das wäre dann alles. Danke.“
    Sobald sich die Dienerin zurückgezogen und die Tür hinter sich geschlossen hatte, machten sich Taya und ihr Gastgeber daran, die aufgetragenen Gerichte zu inspizieren. Alister empfahl Taya seine Lieblingsspeisen, und sie lud sich von allem ein wenig auf den Teller. Die meisten Gerichte waren erlesener als alles, was sie

Weitere Kostenlose Bücher