Das mechanische Herz
an der Mütze, nahm die Zügel auf, und Blitz trottete davon. Taya wandte sich dem Restaurant zu.
Der Empfangschef, der gleich hinter der Tür an seinem Tisch saß, wirkte bei ihrem Anblick leicht verdutzt. Natürlich erkannte er den Fliegeranzug, schien aber, wie der fragende Blick auf Tayas Schultern bewies, die Flügel zu vermissen.
„Ich heiße Taya. Ich bin ein Gast.“ Durch die zweite Tür, die direkt in die Gaststätte führte, blickte man in einen großen Saal, in dem sich gutgekleidete Angehörige der Kardinalskasten ihr Essen schmecken ließen. Heiteres Stimmengewirr drang bis zu ihr hinaus. „Da drin werde ich mich ganz schön merkwürdig ausnehmen!“ , dachte Taya mit sinkendem Mut.
„Taya Ikara! Du wirst erwartet. Bitte folge mir“, meinte der Empfangschef.
Erleichtert registrierte Taya, dass er sie nicht in den Saal, sondern durch eine andere Tür hindurch in einen langen Flur führte, von dem wiederum zahlreiche weitere Türen abgingen. An einer von ihnen blieb er stehen, öffnete sie und bat Taya mit einer Verbeugung einzutreten.
Taya fand sich in einem kleinen, fast leeren Raum wieder, in dem lediglich drei Stühle und ein niedriger Tisch standen. Es schien sich um eine Art Vorzimmer zu handeln, denn die Rückwand des Zimmers wies noch eine Tür auf. Dort stand eine Bedienstete in Livree, auf der Stirn das runde Kastenzeichen der Famulaten. Sie verneigte sich tief.
„Taya Ikara?“ Taya nickte. „Dekatur Forlore erwartet dich bereits.“
Die Zofe öffnete die zweite Tür, hinter der ein wesentlich üppiger ausgestattetes Zimmer lag – und plötzlich verstand Taya alles. Natürlich konnte ein Erhabener nicht im eigentlichen Saal speisen, nicht in einer Gaststätte, in der alle Kasten verkehrten! Diese Räume hier dienten privaten Essen, die Vorzimmer dazu, die Erhabenen vor den Blicken anderer Gäste aus niederen Kasten und eventuell gerade an einer offenen Tür vorbeigehender Kellner zu schützen.
Sie trat ein. Gaslampen, die an der Wand hingen und sich in den goldgerahmten Spiegeln sowie den blankpolierten Tischen und Stühlen spiegelten, erhellten das Zimmer.
Dekatur Forlore hatte sich erhoben und strahlte seinen Gast zur Begrüßung an.
„Taya! Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen. Ich muss mich für die kurzfristige Einladung entschuldigen, aber ich stellte unerwartet fest, dass ich am Abend nichts vorhatte. Aus so einem plötzlich freien Abend wollte ich einfach das Beste machen.“
„Ich ... ich weiß Eure Einladung zu schätzen, Erhabener.“ Taya war leicht ins Stottern geraten, während sie sich tief verneigte, die flache Hand an die Stirn gelegt.
Natürlich hatte der Erhabene seine Maske abgelegt, aber ansonsten fehlte es seiner Erscheinung an nichts. Schmuck und Geschmeide blitzten im Haar und an den Roben, er trug die vorgeschriebenen drei Lagen fließender Seidengewänder. Jedes dieser Kleidungsstücke war reich mit Gold- und Silberfäden bestickt, am steifen Kragen und den Manschetten glitzerten kleine Juwelen. Das lange, glänzende Haar trug er um den Kopf herum nach hinten gekämmt, wo es von goldenen Kämmen und smaragdbesetzten Ketten gehalten wurde, eine wundervolle Ergänzung zu seinen grünen Augen.
„Setz dich!“ Alister trat vor, um Tayas Arm zu nehmen und sie zu einem der Sessel zu geleiten. Sobald seine Finger sie berührten, wurde Taya ganz steif. Ihr Blick flog hinauf zu seinen Augen. Alister blieb stehen. „Was ist?“, wollte er wissen.
„Es tut mir leid, ich ...“ Völlig verwirrt sah sich Taya außerstande, weiterzureden.
Lachend zog er sie mit sich in den Raum hinein, wo er ihr einen Sessel zurechtrückte.
„Ich hatte gehofft, wir beide könnten das ganze Kastenbenehmen heute abend einmal vergessen“, sagte er. „Ehrlich gesagt finde ich es ermüdend und würde mich gern mit dir unterhalten.“
„Natürlich!“ Taya war betrübt. „Ich bin es einfach nur gewöhnt, zu Erhabenen respektvollen Abstand zu halten.“
„Ich halte nie respektvollen Abstand zu jemandem, den ich bewundere.“ Alister wies auf den Sessel, den er zurechtgerückt hatte. Taya setzte sich. Er nahm eine Weinkaraffe vom Tisch. „Darf ich?“
Taya nickte, wobei sie daran denken musste, was Cristof über Alister gesagt hatte: dass er ihr Wein angeboten hatte, weil er sie attraktiv fand. Prompt liefen ihre Wangen rot an.
Der Erhabene benahm sich wie ein Mann, der davon ausging, dass ihm jede Ikarierin für einen vergnüglichen Abend zur Verfügung
Weitere Kostenlose Bücher