Das mechanische Herz
seht sehr gut aus.“ Taya nahm die Gelegenheit wahr, sich den Erhabenen noch einmal genau anzusehen. „Grün steht Euch.“
„Ich fürchte nur, die Leute werden an einen Baum denken, wenn sie mich neben dir sehen. Damit muss ich wohl leben. Ich hätte Himmelblau wählen sollen.“
„Sind die Tänze der Erhabenen ähnlich wie die anderer Kasten?“, erkundigte sich Taya, als das Paar den Ballsaal betrat. Dorthin spazierten langsam auch die anderen Festgäste, die Gesichter vom guten Essen und der kühlen Nachtluft gerötet.
„Schlimmer“, gestand Alister. „Außerordentlich getragen und langsam. Mit zehn Pfund Seide und Gold auf dem Buckel eine anmutige Haltung zu wahren, ist nicht leicht.“
„Aber ohne die offiziellen Roben seid Ihr doch gewiss leichtfüßiger.“
Lächelnd sah er zu ihr hinunter.
„Das siehst du zu optimistisch, fürchte ich. Tanzen Ikarier in der Luft? Führt ihr heimlich, wenn keine der anderen Kasten zusieht, am Himmel ein geflügeltes Ballett auf?“
„Oho! Da hat jemand unsere Geheimnisse ausgeplaudert!“
Alisters grünliche Augen sprühten Funken. „Lässt du mich einmal zusehen? Nimmst du mich mit in die Luft, zum Tanzen?“
„Möglich.“ Taya wandte den Blick ab. Alister wollte wohl wirklich fliegen, seine Ausdauer belustigte sie. Es stimmte, manchmal flogen kleine Gruppen von Ikariern hinaus, mit zusätzlichen Ausgleichsgewichten aus Ondium an den Geschirren, und wagten hoch in der Luft eine tänzerische Akrobatik, die in der normalen Ausrüstung nie möglich gewesen wäre. Ein gefährlicher Sport, machte ihr geringes Gewicht sie doch noch anfälliger für plötzliche Windböen, aber ein Vergnügen, das sich jeder junge Ikarier wenigstens einmal erlaubte. Taya galt als eine der begabteren Himmelstänzerinnen.
Schade eigentlich, dass sie keinen Satz Tanzflügel dabeihatte!
„Da – die Musik spielt!“ Alister gab Tayas Arm frei und verneigte sich. „Darf ich bitten?“
Sie holte noch einmal tief Luft, ehe sie ihm die Hand hinstreckte, die er ergriff, um sie auf die Tanzfläche zu ziehen.
Natürlich hatte er übertrieben. Soweit Taya das beurteilen konnte, tanzten Erhabene genauso gut wie andere Bürger. Auch die Schritte waren nicht viel anders als bei den Festen der Ikarier oder neulich auf der Hochzeit ihrer Schwester im Famulatensektor. Schon nach wenigen Minuten konnte Taya sich entspannen und brauchte nicht mehr ständig auf ihre Füße zu achten. Sie ließ zu, dass Alister sie über die Tanzfläche wirbelte. Er war ein geübter Tänzer, der sie geschickt führte, eine Hand ehrbar in der ihren. Die andere jedoch, die, die auf Tayas Taille ruhte, streichelte unablässig die Federn dort.
„Oh Herrin, es wäre so einfach, sich in ihn zu verlieben!“ dachte Taya, als Alister sie einen Moment lang näher an sich zog, um einem anderen Paar auszuweichen. „Das wäre fast wie ein Märchen: ein Erhabener und eine Ikarus, die einander über die Kastenschranken hinweg lieben. Ich darf bloß nicht vergessen, dass so etwas für einen Ikarus nie gut ausgeht. Alister Forlore ist charmant und er macht mir so schön den Hof. Genieß es, ohne dein Herz zu verlieren, dann ist alles wunderbar.“
„Was ist?“ Alister umfasste sie enger. „Du wirktest eben so ernst.“
„Nichts!“ Taya sog seinen Duft ein, einen exotischen, anziehenden Geruch, der sie an die Gewürzstände im Ausländerviertel denken ließ. „Mir ist nur so ein Gedanke durch den Kopf geschossen.“
„Hat mein Bruder daran Schuld?“
„Bitte?“
„Er starrt dich an.“ Alister schwang sie herum, so dass sie einen Moment lang zwischen all den farbenfroh und extravagant gekleideten Erhabenen eine dunkle Gestalt erkennen konnte, die bei der nächsten Drehung auch schon wieder verschwunden war.
„Ihr sagtet doch, er hielte sich von allen Festen fern!“
„Ich würde sagen, da hast du noch eine Eroberung gemacht, Taya Schwan.“ Alister lachte leise.
„Das bezweifle ich nun doch! Ich würde mich allerdings gern mit ihm unterhalten.“
„Nach diesem Tanz“, versprach Alister, indem er sie ganz nah zu sich heranzog. „Jetzt gehörst du erst einmal mir.“
Taya konnte nicht anders: Immer wieder warf sie, während Alister und sie sich über den Tanzboden drehten, verstohlene Blicke über ihre Schulter, suchte nach Cristofs schlanker, so ernsthaft wirkender Erscheinung. Weshalb war er hier? Um zu feiern, dass Viera überlebt hatte?
Das hoffte sie sehr – seiner Familie wegen.
Als die Musik
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