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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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verstummte, scheuchte Alister gebieterisch sämtliche Männer fort, die Taya ebenfalls um einen Tanz bitten wollten.
    „Die Dame tanzt schon noch mit euch, braucht aber erst einmal eine Erfrischung. Zurück! Gebt dem Ehrengast eine Chance, wieder zu Atem zu kommen.“
    Geschickt steuerte er sie zu seinem Bruder hinüber, der ein Glas Wein in der Hand hielt und die Näherkommenden mit ernster Miene beobachtete. „Wirklich wie eine Krähe unter Singvögeln!“ , dachte Taya, der plötzlich Gwens Beschreibung des Uhrmachers einfiel. Ein treffender Vergleich, noch verstärkt durch Cristofs einfache dunkle Kleidung und das schmale, kantige Gesicht. Überall sonst in der Stadt hätte der Mann als auffallend gutaussehend gelten können, hier jedoch wirkte er lediglich fehl am Platz.
    „Wahrscheinlich ebenso fehl am Platz wie ich“, musste sich Taya eingestehen.
    „Welch unerwartetes Vergnügen, dich auf einem Fest zu sehen!“, begrüßte Alister den Bruder. „Mir ist allerdings aufgefallen, dass du Taya unentwegt angestarrt hast, während wir miteinander tanzten. Könnte es sein, dass sich mein großer Bruder zur Abwechslung mal für etwas anderes als seine Uhrwerke interessiert?“
    Mit finsterer Miene wandte Cristof den Blick ab. „Ich habe mir die Architektur ihres Kleides angesehen.“
    „Architektur? So nennt man das unten in Tertius?“, spottete Alister liebevoll, woraufhin sich Cristofs Wangen rot färbten.
    „Ich habe versucht herauszufinden, wie das Kleid zusammengehalten wird“, führte er würdevoll aus. „Immerhin gleicht das Schneiderhandwerk in vielem der Ingenieurskunst, etwa dem Brückenbau. Nur braucht eine Brücke nicht auch noch bequem zu sein.“
    „Eigentlich kann man nicht sagen, dass mein Kleid durch irgend etwas zusammengehalten wird“, musste Taya gestehen. „Man hat mich hineingenäht.“
    Cristof, der sich beinahe an seinem Wein verschluckt hätte, stellte hastig sein Glas ab. Alister brüllte vor Lachen. Von überall her richteten sich interessierte Blicke auf die drei.
    „Oh, möge die Herrin uns helfen! Wenn man da nicht gleich anfängt zu spekulieren, was? Interessante Spekulationen!“ Alister lächelte seinen älteren Bruder an. „Alles in Ordnung, Cristof? Erstickst du?“
    „Mir geht es prima.“ Cristof hustete. Er klang heiser. „Wenn ihr mich bitte entschuldigen wollt?“
    Alister sah ihm nach, ehe er Taya in die Arme zog, sie einmal im Kreis herumwirbelte und ihr einen Kuss auf die Wange drückte.
    „Wofür war denn das?“, keuchte sie, als sie wieder fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand. Alisters Blicke tanzten.
    „Dafür, dass du meinen Bruder aus der Reserve gelockt hast! Ich kriege nicht oft zu sehen, dass seine Zahnräder nicht fassen!“
    Mit sanfter Missbilligung schüttelte Taya den Kopf, versuchte aber nicht, sich aus Alisters Armen zu befreien. Im Gegenteil: Sie lehnte sich an ihn, während sie mit den Augen die Menge nach Cristof absuchte.
    Groß und dunkel wie er war, hatte sie ihn schon bald entdeckt. Er stand in einer Ecke, wo er in sein Taschentuch hustete. Das Lampenlicht spiegelte sich in seinen Brillengläsern. Plötzlich musste sie daran denken, wie liebevoll er Alisters Spielzeugvogel in den Händen gehalten hatte, wie klaglos er sein Mittagsmahl mit ihr geteilt hatte. Irgendwie tat er ihr leid.
    „Macht Euch nicht über ihn lustig. Das ist nicht nett.“
    „Unsinn! Das ist doch nicht so gemeint, ich scherze nur. Cristof nimmt immer alles so ernst. Manchmal glaube ich, sein Herz besteht nur aus Uhrwerken und Federn. Ich wäre doch der erste, der sich freuen würde, hätte er endlich mal etwas anderes als seine Werkzeuge im Kopf. Zum Beispiel etwas so Gesundes, Normales wie eine hübsche junge Frau.“
    Taya seufzte. Sie wollte sich gerade abwenden, als sie sah, wie ein Dienstbote hereinkam und Cristof etwas ins Ohr flüsterte. Die Schultern des Uhrmachers strafften sich. Eilig verließ er den Saal.
    „Ich weiß nicht“, meinte sie, mit einem Mal besorgt. „Ich habe das Gefühl, er denkt über eine Menge Dinge nach, die nichts mit Werkzeugen zu tun haben.“
    „Du siehst gern das Gute im Menschen, was? Nun verrat mir doch: Was wolltest du ihm sagen? Dass man dich in dein Kleid eingenäht hat? Muss man die Naht wieder auftrennen, ehe du es ausziehen kannst?“ Alister streichelte die Spur aus Federn, die über Tayas Schulter verlief. „Wer ist denn der Glückliche, der dir heute abend diesen Dienst leistet, Taya? Ich hoffe doch

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