Das mechanische Herz
Feiern im Kopf hatte, umschwärmten ihn die Mädchen wie Bienen den Honig, aber in einem hart arbeitenden Mann sehen sie wohl eher einen Langweiler. Sie scheinen jedenfalls in letzter Zeit weggeblieben zu sein.“
„Dann ist er nicht ...“
„Verlobt?“ Viera warf ihr einen Seitenblick zu. „Nein. Bisher habe ich noch nicht erlebt, dass es Alister mit einer seiner Liebschaften ernst war. Ich glaube auch nicht, dass er bereit ist, sich ernsthaft nach einer Ehefrau umzusehen. Dabei sähen Caster und ich es gern, wenn er zur Ruhe käme und sich festlegte. Er muss es tun, wenn ihm seine politische Laufbahn am Herzen liegt. Eine gute Heirat würde das Manko, der jüngste Dekatur zu sein, ausgleichen.“
Taya seufzte leise. Da hatte sie ihre Antwort, sehr feinfühlig formuliert, aber eindeutig. Wenn ihr der Sinn nach einer kleinen Romanze stand – die durfte sie sich genehmigen. Mehr konnte sie auf keinen Fall erwarten. Wenn Alister heiratete, dann aus politischen Erwägungen, was eindeutig hieß: eine Erhabene.
Natürlich war das enttäuschend, andererseits jedoch war Taya eine Ikarierin. Wenn sie Lust verspürte, sich mit einem gutaussehenden Dekatur zu amüsieren, dann stand dem nichts im Wege. Klar würde Pyke sich aufregen, aber letztlich nur aus verletztem Stolz und auch nicht ewig. Dass eine Liebschaft mit Alister Spaß machen würde, stand außer Zweifel. Außerdem konnte sie davon ausgehen, dass er das Ende einer solchen Affäre ruhig und gelassen hinnahm.
War eine Affäre denn alles, was sie wollte?
Ein Diener kündigte an, es sei serviert, und Taya blieb keine Zeit mehr für weitere Grübeleien, von schwerwiegenden Entscheidungen ganz zu schweigen.
Man wies ihr an der langen Tafel einen Platz zwischen Caster Octavus und einem anderen älteren Dekatur zu, mit Viera als Gegenüber. Bald hatte sie überhaupt keine Zeit mehr zum Überlegen, denn um sie herum summten angeregte Unterhaltungen. Cassi hatte wieder einmal recht gehabt: Mehr als von den Speisen zu kosten war in diesem engen Korsett unmöglich, zumal sie auch noch eine Heidenangst davor hatte, irgend etwas zu verschütten und ihr Kleid zu beschmutzen. Aber niemand schien zu bemerken, dass sie die Speisen, die in schwindelerregendem Tempo vor sie gestellt wurden, kaum anrührte, waren doch alle zu sehr mit ihren Gesprächen beschäftigt. Taya gab sich Mühe, etwas zur Unterhaltung beizutragen, musste aber rasch erkennen, dass viele der Themen sie überforderten, ging es doch oft um Romane, Theaterstücke, Gemälde und Opern, die sie nie gesehen oder gelesen hatte. Dazu fehlten ihr schlicht die Zeit und das nötige Kleingeld. So wurde sie immer stiller, hörte zu und staunte darüber, wie wenig sie doch von der Welt wusste.
Die Themen, mit denen sie sich auskannte, waren so ganz anders als das, was an dieser Tafel besprochen wurde. Fliegen, Fremdsprachen, Flugausrüstungen und wie man sie reparierte, Geographie, Kartenkunde – das war ihre Welt. Taya wusste, mit welcher Geste man einen Händler aus Cabiel vor den Kopf stoßen, aber ein Kind aus Demikus zum Kichern bringen konnte. Sie wusste, wie der Himmel aussah, kurz bevor ein Gewitter aufzog, und wo sich das beliebteste Bordell der Stadt befand. Keines dieser Themen schien ihr hier angebracht, keines half ihr weiter.
„Taya, sag uns doch: Wie fühlt es sich an, so hoch über dem Ondiniumberg zu schweben?“ Viera hatte bemerkt, dass ihr Gast ganz still geworden war. „Ist es wahr, dass die Ikarier auch durch Wolken fliegen?“
„Hast du dort oben je einen der Geister der Herrin fliegen sehen?“, fügte ein anderer Gast lachend hinzu.
Taya lächelte Viera dankbar an, ehe sie antwortete. Als das Gespräch zum nächsten Thema überging, entspannte sie sich, glücklich darüber, dass sie wenigstens einmal etwas Interessantes hatte beisteuern können.
Sobald die Tafel aufgehoben wurde, gesellte sich Alister zu ihr.
„Ich bin gekommen, um meine Ansprüche auf den ersten Tanz geltend zu machen!“, verkündete er, indem er seinen Arm unter den ihren schob.
„Geht das denn? Ist es statthaft?“, fragte sie, mit einem Mal ganz atemlos.
„Wen interessiert das!“ Er zog sie an sich, weich und kühl strich seine Seidenrobe an ihrer nackten Haut entlang. Taya musste sich zwingen, wieder auszuatmen. „Du siehst wunderschön aus, Vögelchen. Ich habe meine Ansicht über den Fliegeranzug komplett revidiert. Er lässt deiner Figur in keiner Weise Gerechtigkeit widerfahren.“
„Auch Ihr
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