Das mechanische Herz
Türschloss.
„Nein!“, log Taya mit wild klopfendem Herzen. „Das war schon so, als ich herkam, deswegen bin ich überhaupt in den Laden gegangen. Ich fand Euch nicht vor, also wollte ich gerade wieder gehen.“
„Dein Messer!“
„Was?“
Er wischte sich einen Blutstropfen von der Nase und streckte ihr die rotverschmierte Hand hin.
„Gib mir dein Messer. Das da, das an deinem Geschirr hängt.“
„Warum?“ Alarmiert trat Taya einen Schritt zurück.
„Weil ich das Messer mit den Spuren am Rahmen vergleichen will!“ Cristof funkelte sie zornig an. „Wenn ich Übereinstimmungen erkenne, dann rufe ich die Liktoren und lasse dich als Einbrecherin verhaften.“
„Seid doch nicht albern!“ Taya richtete sich kerzengerade auf. „Ich bin in den Laden gegangen, weil ich mir Sorgen machte. Immerhin hättet Ihr auch verletzt sein können oder an einen Stuhl gefesselt.“
„Hast du mir etwas mitgebracht? Irgendwelche kleinen Geschenke, die jetzt im Laden auf mich warten?“
„Geschenke?“ Taya war konsterniert. „Was meint Ihr mit Geschenken?“
„Du weißt, was ich meine. Geschenke, die einen Brand entfachen. Oder vielleicht auch nur eine zerfetzte Lochkarte.“
„Lochkarte? Wenn hier zerfetzte Lochkarten rumliegen, dann sind das ja wohl Eure!“ Taya war vor Wut knallrot geworden. „Vielleicht finden die Liktoren ja welche zwischen den Büchern über Gifte und Sprengstoff.“
„Dann bist du also wirklich bei mir eingebrochen!“ Cristof reckte triumphierend den Hals.
„Ich ...“
Ein dumpfer Knall in der Ferne ließ beide verstummen. Erschrocken sahen sie auf.
Weit über ihnen flammte am Berghang ein hellroter Glanz auf, dessen Schein durch den rußigen Nebel in der Luft gerade noch sichtbar war.
„Die Herrin möge uns helfen!“ Cristofs Stimme bebte, er hielt das Gesicht unverwandt nach oben gerichtet. „Was hast du getan?“
„Meine Flügel!“ Taya schob sich an ihm vorbei und rannte los. Wie hatte sie ihre Flügel abstellen können, wo sie doch noch im Dienst war?
Zwei Minuten später hallte die Stadt vom Heulen der Alarmsirenen wider. Taya rannte noch schneller, drängte sich rücksichtslos an den Gaffern vorbei, die bereits mit neugierig der Bergspitze zugewandten Gesichtern Straßen und Brücken säumten.
In Sekundus angekommen, fand sie Jayce vor seinem Laden. Taya eilte an ihm vorbei, schnappte sich ihre Flügel und schleppte sie nach draußen. Jayces Mantel zog sie aus und ließ ihn einfach auf die schmutzigen Pflastersteine fallen.
„Hast du mitgekriegt, was passiert ist?“, fragte sie, während sie hastig ihre Arme durch die Halterung der Rüstung schob und sich mit den Riemen und Schnallen abmühte. Über ihr kreisten, von den Sirenen alarmiert, bereits andere Ikarier, bereit, Unfallhilfe zu leisten.
„Ich weiß auch nichts. Ich habe nur die Detonation gehört. Die Leute sagen, es war wieder eine Drahtfähre.“
„In Primus?“
„Höher.“ Jayce kniff die Augen zusammen. „Ich glaube, es ist die Fährverbindung zum Oporphyrturm.“
„Nein!“ Taya ließ den Verschluss über ihrer Brust einrasten und zerrte die letzten Schnallen fest. „Nein, Herrin! Nicht noch eine. Wo ist der Aufgang zum Dach?“
„Hinten!“ Jayce starrte fassungslos weiter hoch zum Berg.
Taya legte die Flügel an, rannte mit schweren Schritten die Treppe zum Dach empor, wo sie die Flügel ausbreitete und sich mit wilder Entschlossenheit in den Wind warf.
Sofort packte sie der Diispiraund hätte sie fast gegen das nächste Haus geschleudert, aber ein paar schnelle, starke Flügelschläge hoben sie hoch über die Dächer und Schornsteine Secundus ’ . Sobald sie konnte, trat sie die Schwanzfedern herunter und schwang sich weiter hinauf, schoss in halsbrecherischem Tempo zwischen Drähten und Türmen hindurch hoch zur Unfallstelle, die ihr, je näher sie kam, einen immer schrecklicheren Anblick bot.
Auf den Türmen Primus ’ standen bereits Signalgeber. Der Wind wehte ihnen die Haare und Kleider um den Leib, während ihre Flaggen die Ikarier darüber informierten, wie sie sich der Unfallstelle nähern sollten und welche Arbeit sie dort erwartete.
Drahtfähre abgestürzt. Suchen und retten. Schadensbericht. Reparaturtrupps begleiten.
Taya kippte die Flügel und gesellte sich in weitem Bogen zu den anderen Helfern in silbernen Schwingen, die um die zwischen den Gipfeln der Yeovil-Kette und der obersten Ebene Primus ’ aufragenden Klippen und Felsen kreisten. Oben auf dem Turm
Weitere Kostenlose Bücher