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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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jetzt unter die Lupe nahm. Die Themenvielfalt war bemerkenswert. Es gab Bücher über das Programmieren, über die Sitten und Gebräuche fremder Länder, über Sprengstoff, Religion, Ahnenforschung (in der Kaste der Erhabenen), über Flugausrüstungen der Ikarier, über Waffen und Gifte, über die Anatomie des Menschen. Beim bloßen Anblick all der Texte wurde ihr mulmig. Ein Regalbrett ganz unten war Adressbüchern vorbehalten, mit denen Cristof ihrem Zustand nach zu urteilen oft und intensiv arbeitete: Sie wiesen zahlreiche Eselsohren auf. Die offiziellen Adressbücher der Stadt wunderten Taya nicht weiter, aber ihre Brauen schossen in die Höhe, als sie auf eine Sammlung schlecht gedruckter, recht obskurer Verzeichnisse stieß, in denen man die Adressen von Spielhöllen, Bordellen, „Etablissements für Herren“ und Veranstaltern von Tierkämpfen finden konnte. Zeigte sich hier eine Seite im Wesen des Verbannten, die ihr bisher verborgen geblieben war?
    Auch den Plan für den Drahtfährenverkehr, den sie bei ihrem ersten Besuch gesehen hatte, fand sie hier wieder. Sie klappte ihn auf. Cristof hatte in seiner gestochenen Schrift notiert, wie weit es jeweils von einer Station zur anderen war und wieviel Fahrzeit man für die einzelnen Strecken benötigte. Auch andere Zahlen, mit denen sie nichts anfangen konnte, waren vermerkt. Sie brauchte eine Weile, ehe sie begriff, dass es sich bei diesen Notizen um Angaben zu Reparaturarbeiten handelte.
    Nachdenklich faltete sie den Plan wieder zusammen. Noch wusste sie nicht, was sie davon halten sollte.
    Ganz hinten auf dem untersten Regalbrett, hinter den obskuren Adressbüchern, fand sie schließlich ein dünnes Bündel Briefe und Dokumente. Sie hockte sich hin, um sich ihren Fund genauer anzusehen, wobei sie das brüchige, offenbar schon recht alte Papier mit äußerster Sorgfalt behandelte.
    Report des Untersuchungsrichters im Fall Emeline Forlore, Erhabene.Die Überschrift stammte von Cristof, Taya erkannte die graziöse, schöne Handschrift. Rasch überflog sie den Bericht, merkte sich medizinische Fachbegriffe, die ihr ins Auge stachen. Perforation, Blutung, Fraktur ...
    Der Bericht nannte auch das Alter des Opfers: Emeline Forlore war siebenunddreißig Jahre alt gewesen, als sie ums Leben kam. Gewaltsam ums Leben kam ...
    Taya verzog das Gesicht. Sie legte den Report weg, um sich den darunterliegenden Briefen zuzuwenden, die der Datumsangabe nach fünfundzwanzig Jahre alt waren und Vieras Unterschrift trugen. In großen, kindlichen Buchstaben stand da zu lesen: Mach dir keine Sorgen, Vater sagt, alles wird gut. Gib Alister einen Kuss von mir. Noch drei Wochen! Ich kann es kaum erwarten, euch wiederzusehen. Wir streichen zwei Zimmer für euch, sie werden euch gefallen.
    Als nächstes kam ein Zeitungsausschnitt zum Vorschein, eine Todesanzeige: Emeline und Tadeus Forlore, Todesursache nicht genannt. Sie hinterlassen zwei Söhne: Cristof, zwölf Jahre alt, und Alister, zehn Jahre alt.
    Dann war da noch eine Seite aus einer Zeitung namens Durch das Schlüsselloch – der Größe nach eine Boulevardzeitung, allerdings sah Taya den Namen zum ersten Mal. Das Papier war bereits stark vergilbt, die Zeitung musste ungefähr so alt sein wie Vieras Brief.
    Tod eines Erhabenenpaares – Mord und Suizid? Was wird hier verheimlicht?
    Taya hatte gerade angefangen, den Artikel zu lesen, als vorn im Laden ein Heidenlärm losging. Erschrocken schrie sie auf, schlug sich aber sofort die Hand vor den Mund. Natürlich – die Chronometer! Sie schlugen die Stunde.
    Oh Herrin! Eilig faltete Taya die alte Zeitung zusammen und stopfte das ganze Papierbündel wieder dorthin, wo sie es gefunden hatte. Sie hatte vollkommen die Zeit aus den Augen verloren, und es gab nichts, was sie nach dieser Suche vorzeigen konnte. Nichts – außer ein paar verdächtigen Büchern, einer Karte, aus der man nicht recht schlau wurde, und einem Bündel trauriger Familiengeheimnisse.
    Sie schlang den Umhang um sich, den Jayce ihr geliehen hatte, und schlüpfte durch den Vorhang in den Laden. Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt breit ...
    ... und traf mit der Türkante Cristof mitten im Gesicht. Fluchend zuckte der Uhrmacher zurück. Seine Hand fuhr hoch zu seiner Nase.
    „Oh!“ Taya blickte ihn erschrocken an.
    „Du!“ Cristof ließ seine Nase los und sah seine Hand an. Blut troff ihm von den Fingerspitzen. „Geht das auf deine Kappe?“ Er deutete auf die Messerspuren neben seinem

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