Das mechanische Herz
Herz vor Freude zerspringen, dachte sie doch, es sei von Alister die Rede – aber dann war es Cristof, der sie über das geschäftige Treiben von Liktoren und Handwerkern hinweg anstarrte. Einen Augenblick lang versetzte ihm ihr Anblick einen solchen Schock, dass sein schmales Gesicht völlig starr wurde, aber dann verzog es sich zu wilder Wut. Er schob den Liktor beiseite, mit dem er sich gerade unterhalten hatte, und kam auf Taya zugestürzt.
Die wiederum marschierte auf ihn los, die Hände zu Fäusten geballt, zitternd vor Wut.
„Du!“ Cristof griff nach ihr. Taya schüttelte seine Hand ab und versetzte ihm einen Hieb in den Magen.
„Du elendes Schwein!“, schrie sie, als er hilflos taumelnd einen Schritt zurückstolperte. „Du hast ihn getötet!“
„Ich habe ihn getötet?“ Cristof hatte sich gefangen. Er packte Taya bei den Geschirriemen und schüttelte sie, bis ihr die Zähne klapperten. „Du heimtückische kleine ...“
Taya versetzte ihm mit der flachen Hand einen Schlag gegen den Kiefer. Cristofs Kopf flog zurück, die Brille rutschte ihm von der Nase. Sein Griff wurde lockerer, und Taya konnte sich losreißen. Als er erneut zupacken wollte, duckte sie sich unter seinem Arm hindurch und rammte ihm mit aller Kraft den Ellbogen in die Rippen. Cristof musste zurückweichen, wollte er nicht von ihren Metallschwingen getroffen werden.
„Verhaftet ihn!“, schrie sie den Liktoren zu, die der Szene mit weit offenen Mündern zusahen. „Er hat seinen Bruder ermordet!“
„Verhaftet sie!“, verlangte Cristof, eine Hand auf den schmerzenden Rippen, mit der anderen nach seiner Brille tastend. „Sie ist eine Zerrissene Karte.“
Als die Liktoren endlich in Aktion traten, taten sie es zu Tayas grenzenloser Verblüffung ganz anders, als sie gedacht hatte: Sie stürzten sich auf sie, packten sie bei den Armen und am Fluggeschirr. Verzweifelt versuchte sie, sich loszureißen.
„Seid ihr von Sinnen? Glaubt ihm nicht, nur weil er ein Erhabener ist! Er hat seinen Bruder getötet! Er hat Bücher über Sprengstoffe! Er hat Pins getötet!“
„Wie kannst du es wagen, mir deine Schandtaten in die Schuhe zu schieben!“, zischte Cristof. „Pins lebte noch, als meine Männer sie verließen. Sie starb erst, nachdem du gehört hattest, wie wir über sie sprachen.“
„Ihr lügt!“, keuchte Taya, während ihr die Liktoren unter den hervorstehenden Schwungfedern ihrer Metallflügel die Arme auf dem Rücken verdrehten. „Ihr glaubt vielleicht, Ihr kommt damit durch, weil Ihr ein Erhabener seid, aber ich kenne die Wahrheit, und Alister kannte sie auch!“
„Nehmt ihr die Flügel ab“, befahl Cristof kalt, „und führt sie in die nächste Arrestzelle.“ Er rieb sich die Rippen und musterte Taya mit ärgerlichem Blick.
„Welche Anklage?“, wollte der Liktor wissen, der gerade ein Paar Handschellen um Tayas Handgelenke zuschnappen ließ.
„Einbruch, unbefugtes Betreten und Mord in mindestens einem Fall. Ich bin sicher, da kommt später noch einiges hinzu.“
„Fragt ihn nach seinen Büchern! Fragt ihn, woher er Pins kennt, fragt ihn nach dem Drahtfährenplan in seinem Regal!“ Taya wand sich verzweifelt, aber zwei Liktoren hielten sie brutal fest. Die Kanten der Handschellen gruben sich schmerzhaft in ihre Handgelenke. „Alister wollte ihn mit seinen Verbrechen konfrontieren und dafür sorgen, dass er gesteht. Deswegen hat Cristof ihn umgebracht!“
Die Liktoren schienen sie gar nicht zu hören. Mit einem Ruck rissen sie die Gefangene herum und führten sie vom Platz. „Cristof!“, heulte Taya. „Das könnt Ihr nicht tun! Damit kommt Ihr nicht durch!“
Vergeblich. Die Soldaten schüttelten sie einmal kräftig durch und schleppten sie zwischen sich fort.
***
Sie brachten sie auf eine Wache in Primus, nahmen ihr die Handschellen ab, um den Flugapparat entfernen zu können, fesselten sie wieder und sperrten sie in eine Zelle, wo sie die Handschelle an ihrer linken Hand zusätzlich mit einer Kette sicherten, die an einem in die Wand hängenden Ring befestigt war. Taya sackte auf dem Boden zusammen, schlug die Hände vor das Gesicht und schloss die Augen.
Octavus. Forlore. In ihrer Erinnerung knallten und flatterten die Signalfahnen, darunter das Bild des dunklen Wracks, einziges Überbleibsel der Drahtfährengondel.
Tränen brannten ihr in den Augen. Wütend wischte sie sie fort. Sie würde nicht weinen, würde ihnen nicht die Genugtuung geben, sie zum Weinen gebracht zu haben.
So
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