Das mechanische Herz
haben, das er entwickelt hatte?“, fragte er.
„Er deutete so etwas in der Richtung an. Aber ich begreife nicht, was die Zerrissenen Karten gegen ein Programm haben könnten, das glückliche Ehen arrangieren hilft. Das Ganze klingt doch eher albern, findet Ihr nicht?“
„Es sieht meinem Bruder ähnlich, ein solches Programm zu schreiben. Alister hat alles gern richtig und schön und wird immer tun, was ...“ Cristof unterbrach sich und wandte den Blick ab. Als er weitersprach, klang seine Stimme belegt. „Alister war Idealist. Für ihn zählte nur die Perfektion. Entweder die Dinge funktionierten perfekt, oder sie funktionierten in seinen Augen überhaupt nicht.“
„Ich dachte, Ihr wärt der Idealist.“
„Nein.“ Cristof sah sie an. „Ich weiß, dass die Welt nicht perfekt ist und glaube auch nicht, dass sie es überhaupt sein kann. Ich versuche nur, die ärgsten Probleme zu orten und zu beheben. Alister dagegen würde lieber das Ganze verschrotten und ein neues Programm schreiben, von Null an.“
„Hat ihm mal jemand das Herz gebrochen? Hat er das Programm deswegen geschrieben?“
Cristof musterte sie einen Augenblick lang aufmerksam, ehe er den Blick wieder in seinem Bierglas versenkte. „Das Risiko eines gebrochenen Herzens wäre Alister nie eingegangen. Eine perfekte Liebelei war ihm lieber als eine unperfekte Liebe. Das Programm hat er für unsere Eltern geschrieben.“
„Aber die sind doch ...“ Taya ließ den Satz unvollendet. Cristof zuckte die Achseln, seine schmalen Schultern wirkten seltsam schutzlos.
„Wir könnten uns mit seinem Programmiererteam unterhalten“, schlug er vor, offenbar darauf bedacht, das Thema zu wechseln. „Vielleicht sind über sie Informationen an die Zerrissenen Karten durchgesickert. Das mag dir weit hergeholt erscheinen, und ich würde dir da sicher zustimmen, aber wahrscheinlich sind die Programmierer die einzigen Verdächtigen, an die wir im Moment herankommen. Alister verbringt immer sehr viel Zeit in der Hochschule, wenn er an einem neuen Programm arbeitet.“
Zwischen den beiden breitete sich Stille aus. Taya musterte aufmerksam ihre Hände, Cristof schob sein Bierglas auf dem Tisch hin und her.
„Besser als hier rumzusitzen ist es auf alle Fälle“, verkündete er nach einer Weile brüsk, indem er aufstand. „Du brauchst ja nicht mitzukommen, wenn du nicht willst.“
„Nein, ich komme natürlich mit!“ Die anderen Gäste wichen zur Seite und machten eine Gasse frei, als Taya vor Cristof durch den Gastraum ging. Wieder sammelten ihre Schwungfedern die Spinnweben von der Decke ein.
Draußen war es Nacht geworden. Taya schlug den Kragen ihres Fliegeranzugs hoch und knöpfte ihn zu, dankbar für das dicke Futter. Auch Cristof schloss seinen Mantel und schlug den Kragen hoch. Der Wind hatte nachgelassen, aber die Nachtluft war trotzdem kalt. „In ein paar Wochen kriegen wir den ersten Schnee“, dachte Taya, als sie zu den Sternen hinaufsah.
„Du solltest nicht mit halboffener Flugausrüstung herumlaufen“, brach Cristof das Schweigen, das zwischen den beiden entstanden war. „Das ist nicht sicher.“
„Ich dachte, wir würden vielleicht irgendwohin gehen, wo ich die Flügel ablegen muss.“ Sie warf einen Blick auf die offenen Verschlüsse und Schnüre. „Ihr habt recht, sicher ist es so nicht.“ Seufzend zog sie die Riemen unter dem Geschirr hervor und fing an, sie durch die entsprechenden Ösen an ihrem Anzug zu ziehen.
Ein paar Minuten lang arbeitete sie schweigend an ihrer Rüstung. Auch Cristof schwieg. Dann räusperte er sich.
„Entschuldige, dass ich dich geschüttelt habe“, sagte er steif.
„Ist schon in Ordnung. Ihr wart wütend. Ich auch.“
„Dennoch.“ Er drehte den Kopf zur Seite, scharf zeichnete sich sein charakteristisches Profil im Lampenlicht ab. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich einmal die Hand gegen eine Frau erhebe.“
„Ihr standet unter großem Druck.“ Taya zog eine Schulterschnalle fest. „Mir tut es auch leid, dass ich Euch geschlagen habe. Ich meine: Es würde mir nicht leid tun, wenn Ihr derjenige wärt, der die Bombe gelegt hat. Aber Ihr seid es nicht und von daher ...“
Er nickte kurz, ehe er wieder in Schweigen verfiel. Irgendwie hatte Taya das Gefühl, er sei mit dem Verlauf der Unterhaltung nicht zufrieden, wusste aber nicht, was sie sonst noch sagen sollte. Also beendete sie wortlos ihre Arbeit an der Rüstung und schloss sich Cristof an, als der sich in Bewegung
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