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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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mit jedem Fitzelchen Information, dessen wir habhaft werden können – außer, es betrifft uns selbst. Die Wahrheit über uns selbst wollen wir nicht wissen. Die Vertrauten meines Vaters hätten erkennen müssen, dass etwas nicht stimmte. Sie hätten ihm Einhalt gebieten müssen, ehe er meine Mutter erschlug. Aber sie haben alle getan, als geschähe das, was bei uns passierte, nicht wirklich. Sie wollten die blauen Flecken im Gesicht meiner Mutter nicht sehen, wollten nicht hören, wie die Söhne meines Vaters sie anflehten, doch bitte einzuschreiten. Denn wenn sie das getan hätten, dann hätten sie zugeben müssen, dass ihre Kaste nicht perfekt ist.“
    „Dann habt Ihr Primus verlassen, weil Ihr wütend wart?“, fasste Taya zusammen. Cristofs Worte hatten sie traurig gestimmt. „Warum sagt Ihr das nicht einfach?“
    Cristof presste die Lippen zusammen, schien sich wieder in sich zurückzuziehen.
    „Du findest das alles trivial.“
    „Das habe ich nicht gesagt! Ihr habt Eure Eltern verloren. Mir brach das Herz, als meine Mutter starb. Sie hatte die Hustenkrankheit, und die Ärzte konnten nichts dagegen tun. Ich weiß, dass der Tod eines Elternteils nichts Triviales ist.“
    „Es geht nicht um meine Eltern!“ Abrupt wandte sich Cristof ab und eilte Taya voran durch die Parkanlage der Hochschule. „Nach ihrem Tod habe ich noch acht Jahre das Leben meiner Kaste geführt. Ich habe die Schule beendet und mich um Alister gekümmert, und in der ganzen Zeit habe ich es wieder und wieder beobachten können: das Vertuschen, die Lügen, das So-tun-als-ob. Erhabene tun alles, was in ihrer Macht steht, um nicht zugeben zu müssen, dass sie ebenso Fehler haben wie die unteren Kasten. Schließlich beschloss ich, es wäre nützlicher, wenn ich Chronometer repariere, statt so zu tun, als sei ich perfekt. Alister war damals schon an der Hochschule, ihm stand eine grandiose Zukunft bevor. Also ging ich.“
    „War Euer Bruder zornig, als ihr gingt?“
    „Natürlich.“ Cristofs Miene war nicht zu durchschauen. „Ich hörte auf, der glorifizierte große Bruder zu sein. Aber er ist darüber hinweggekommen. Vermutlich hat er es geschafft, mich neu zu klassifizieren, sah in mir den Idealtyp des Exilanten. Ich weiß es nicht. Aber er hat wieder angefangen, mit mir zu reden und hat mir zugehört, wenn ich ihm erzählte, was in Ondinium nicht in Ordnung ist. Als sie ihn letztes Jahr zum Dekatur ernannten, sagte er mir, er wolle dafür sorgen, dass sich die Dinge ändern. Er wollte seine Funktion nutzen, um etwas zu erreichen. Herrin!“ Verzweifelt fuhr er sich mit der Hand durch das kurze schwarze Haar. „Ein Heiratsvermittlungsprogramm! Das waren seine hochfliegenden Pläne?“
    „Er hat es gut gemeint.“ Es kostete Taya Mühe, mit Cristofs langen Beinen Schritt zu halten. „Ihr seid abgehauen, das war Eure Reaktion auf den Tod Eurer Eltern. Eure Art, mit dem Verlust fertig zu werden. Alister hat ein Programm geschrieben, das war seine Art. Ein Programm, das verhindern sollte, dass sich das Unglück Eurer Eltern wiederholt. Ich glaube, eine Menge Leute würden seine Reaktion nützlicher finden als Eure.“
    „Ich nicht.“ Cristof stieg die breite Marmortreppe zu einem der Universitätsgebäude empor. „Ein mechanisches kann echte Herzen nicht ersetzen.“ Er stieß die schwere, holzgeschnitzte Tür auf und trat ein.
    Taya musste sich ducken, um die Tür passieren zu können, aber die dahinterliegenden gewölbten Decken boten ihren Flügeln mehr als genug Platz. Sie war schon oft im Gebäude der Abteilung für Wissenschaft und angewandte Technologie gewesen, um Nachrichten abzuholen oder zu bringen, aber noch nie des Nachts. Jetzt waren die langen Flure in Schatten gehüllt, die Fresken an der Decke, die industrielle Motive darstellten, lagen im Dunkeln. Ein leises, stetes Puffen und Klappern zeugte von der Aktivität der Dampfmaschinen, die im untersten Kellergeschoss des Hauses beheimatet waren.
    Tayas Kurierdienst führte sie in der Regel in die oberen Stockwerke, wo die Büros lagen, aber Cristof wandte sich einer kurzen Treppe zu, über die man zu den Laborräumen im Keller gelangte. Der Lärm der Dampfmaschinen war hier unten deutlicher zu hören, aber doch nicht so laut, dass er das Stimmengewirr eines heftigen Streits hätte übertönen können, der gerade im Labor der analytischen Maschine stattfand.
    „... mit undefinierten Begriffen auf Cabisisch wäre es völlig unmöglich ...“
    „Wir wissen, wie ihre

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