Das mechanische Herz
sich ein Lächeln ab. „Ich ... es hat mir nicht gefallen, wie Emelie über ihn sprach.“
„Mir auch nicht.“ Er stand auf und streckte ihr nach kurzem Zögern die Hand hin. „Steh auf.“
Sie griff nach der Hand, dankbar für die kurze Berührung. Seine Finger waren kalt, aber fest, dünner und kräftiger als die seines Bruders. Sie ließ sich von ihm hochziehen.
„Gut.“ Sie bedankte sich mit einem kurzen Händedruck, fuhr sich ein letztes Mal übers Gesicht. „Ich glaube, jetzt geht es wieder.“
„Gut.“
Taya nahm sich einen Augenblick Zeit, den Fliegeranzug zurechtzuziehen, wobei sie Cristofs Taschentuch einsteckte. Dann richtete sie sich kerzengerade auf und ging zurück an den Tisch zu den Programmierern. Cristof folgte.
„Alles in Ordnung?“ Kyle warf den beiden einen raschen Blick zu.
„Ja. Es war nur – eine verspätete Reaktion. Der Schock.“ Sie biss sich auf die Lippen und deutete auf die Lochkarten. „Was haben wir da?“
„Eindeutig Lochkarten für die Große Maschine.“ Kyle rückte ein Stück, damit auch Cristof und Taya am Tisch Platz fanden. „Das sieht man daran, dass sie länger und breiter sind als gewöhnliche Karten und aus Blech statt aus dickem Papier. Die Zahlen am Rand geben den Platz der Karte innerhalb des Programms an. Ihr habt hier fünfundzwanzig Karten aus einem Satz, zu dem eigentlich hundert gehören.“
„Ist das viel? Hundert Karten?“
„Nein. Im Gegenteil, für die Maschine ist das ein recht kleines Programm.“
„Welchen Nutzen hätte man von einem Teil eines Programms?“ Cristof beugte sich dichter über den Tisch, um sich die Zahlen am Rand der Lochkarten anzusehen. Dabei musste er sich die Brille zurechtrücken. „Was bedeutet dieser Code vor den Zahlen?“
„Daraus kann ein Programmierer ablesen, zu welchem Programm die Karte gehört“, erklärte Victor. „Spätestens wenn einem die erste Schachtel Lochkarten auf den Boden gefallen ist, begreift man, wie wichtig eine korrekte Kennzeichnung sein kann.“
„AMRO steht für ‚analytische Maschine des Rates von Oporphyr ‘ – das ist die offizielle Bezeichnung für die Große Maschine“, erklärte Isobel.
„SZ steht für Sicherheitszugang“, fügte Victor hinzu. „Auch bekannt als Labyrinthcode.“
Kyle tippte auf die Zahlen, die folgten. „Version drei, Kopie zwei, Karte zwölf von hundert. Wir wissen nicht genau, was diese anderen Zahlen sind, aber wir glauben, sie gehören zu einer Formel, die die zufällige Anordnung bestimmt, eine Art Zufallsgenerator.“
„Der Labyrinthcode ist das Sicherheitsprogramm der Maschine, habe ich das richtig verstanden?“ Taya nahm eine der Karten und betrachtete staunend die Anordnung der Löcher darauf. Sie hatte weder die Große Maschine noch eine ihrer Lochkarten je zu Gesicht bekommen. „Heißt das jetzt, jeder, der diese Karten hier in die Finger kriegt, könnte die Große Maschine benutzen?“
„Na ja, dazu bräuchte man als erstes schon mal die anderen fünfundsiebzig Karten“, sagte Lars. „Ich tippe mal, der Dieb dieser Karten hier konnte die anderen nicht ergattern. So ein Kartenstapel ist schwer, die hundert Karten werden wahrscheinlich in vier Schachteln zu je fünfundzwanzig aufbewahrt, und euer Dieb konnte sich erst einmal nur eine Schachtel schnappen.“
„Natürlich ist es auch einfacher, immer nur eine Schachtel zur Zeit hinauszuschmuggeln“, fügte Victor hinzu. „Vielleicht wollte er sich die anderen später noch holen.“
„Da die Karten als Kopie Nummer zwei gekennzeichnet sind, tippen wir darauf, dass sie zu einer Sicherheitskopie gehören, die irgendwo im Maschinenraum selbst aufbewahrt wurde, für den Fall, dass eine der ursprünglichen Karten beschädigt wird und ausgetauscht werden muss“, sagte Emelie. „So eine Sicherungskopie lässt sich leichter stehlen als ein Programm, mit dem gearbeitet wird. Es kann Monate dauern, ehe jemand merkt, dass ein Satz Sicherungskarten fehlt.“
Cristof richtete sich auf.
„Kann man das gesamte Programm rekonstruieren, wenn einem lediglich diese fünfundzwanzig Karten zur Verfügung stehen?“, wollte er wissen. „Wäre das schwer?“
Die Programmierer warfen einander Blicke zu.
„Unmöglich“, meinte Kyle schließlich bestimmt. „Nicht ohne Grund nennt man es den Labyrinthcode. An dem Code haben fünf verschiedene Teams gearbeitet, jedes mit dem Auftrag, einen Code mit nicht nachvollziehbarem Muster zu entwickeln. Dann hat ein weiteres Team unter
Weitere Kostenlose Bücher