Das mechanische Herz
unglaublich hohen Sicherheitsauflagen ein Metaprogramm geschrieben, mit dem man die anderen Programme verwaltet.“
„Man sagt ja allgemein, es sei unmöglich, ein Programm zu schreiben, das ganz und gar auf dem Zufallsprinzip beruht.“ Victor strich sich zerstreut den Bart. „Das entspricht nicht der Natur des Menschen. Aber wenn fünf Teams sich um eine möglichst zufällige Streuung eines Codes bemühen, dann kriegen sie etwas hin, was schon annähernd perfekt zufällig und nicht nachvollziehbar ist.“
„Aber die Karten in diesem Set enthalten doch nicht nur die Arbeit eines einzigen Teams“, sagte Taya. „Ich meine: Wenn fünf Teams jeweils einen gleichwertigen Teil eines Programms geschrieben haben, das insgesamt einhundert Karten umfasst, dann wären es doch zwanzig Karten pro Team, oder?“
„Wenn man davon ausgeht, dass die Arbeit gleichmäßig verteilt war, schon. Aber es ist gut möglich, dass man das anders gehandhabt hat – und wenn schon. Selbst wenn wir hier die Arbeit von zwei Gruppen vorliegen hätten, dann blieben uns immer noch die Unterroutinen von drei weiteren Gruppen unbekannt. Wahrscheinlich verlangt das Metaprogramm noch dazu, dass ein Teil des ursprünglichen Codes neu geschrieben werden muss, wenn man das Programm laufen lassen möchte, und noch eins kommt hinzu: Wenn wir recht haben, was die letzten Zahlen auf den Karten betrifft, dann kann man sie in unterschiedlicher Reihenfolge in die Maschine eingeben, wodurch die ganze Sache noch komplizierter wird.“ Lars sah, dass Taya nicht mehr mitkam. „Gut, ich will versuchen, es zu erklären. Der Labyrinthcode wird jeden Tag zweimal in die Große Maschine eingegeben, einmal morgens und einmal zur Nacht. Damit ist sichergestellt, dass niemand einfach in den Maschinenraum spazieren und irgendwelche neuen Programme laufen lassen kann, wenn gerade niemand hinsieht. Mit dem ersten Durchlauf des Codes wird die Maschine hochgefahren, mit dem zweiten abgeschaltet. Dabei müssen jeweils alle fünf Unterroutinen des Codes durchlaufen, aber nicht notwendigerweise immer in derselben Reihenfolge. Im Gegenteil, die Reihenfolge ändert sich laufend. Stell dir vor, du versuchst, einen Code mit fünf Variablen zu erraten. Dabei kann eine Variable eine Zahl sein, eine ein Buchstabe, eine weitere eine Farbe, ein Tiername, ein ...“ Ihm fiel nichts mehr ein.
„Eine Note“, schlug Isobel vor.
„Richtig. Schwer zu knacken, stimmt ’ s? Ziemlich viele Möglichkeiten für jede Variable. Aber noch schwerer wird es, den Code zu knacken, wenn die Reihenfolge, in der die fünf Variablen eingegeben werden müssen, jeden Tag neu zusammengesetzt wird. Heute kann die Note als erstes drankommen, morgen der Tiername und so weiter und so fort.“
Taya nickte.
„Das heißt, selbst wenn euer Dieb es schafft, alle hundert Karten in die Finger zu bekommen – was bedeuten würde, dass er die Note und den Tiernamen und die Farbe und was ich sonst noch gerade eben genannt habe kennt – weiß er damit immer noch nicht, in welcher Reihenfolge die Karten an einem beliebigen Tag in die Maschine gefüttert werden müssen. Es gibt fünf Variablen – die fünf Subroutinen. Das bedeutet fünfundzwanzig denkbare Möglichkeiten für die Reihenfolge.“ Lars schüttelte den Kopf. „Stellen wir uns mal vor, euer Dieb schleicht sich eines Nachts in den Maschinenraum, wenn die Wachmannschaften gerade mal nicht hinsehen, und will die Maschine in Gang setzen, indem er das Programm laufen lässt. Nehmen wir mal an, es dauert eine halbe Stunde, die hundert Karten durchlaufen zu lassen – und das ist eine moderate Schätzung. Beim ersten Mal kriegt er die richtige Reihenfolge nicht hin, also muss er die Karten in einer anderen Konfiguration noch einmal laufen lassen. Wenn er Pech hat, braucht er siebeneinhalb Stunden, um die richtige Reihenfolge hinzukriegen. Mit vier Stunden muss er aber mindestens rechnen, das wäre ein guter Durchschnitt.“
„Reichlich viel Zeit, rumzustehen und die Maschine mit Karten zu füttern.“ Emelie verschränkte die Arme vor der Brust. „Irgend jemand kriegt zweifellos mit, dass da ein Unbefugter an der Arbeit ist – ein Techniker, ein Liktor oder sonstwer.“
„Dann will der Dieb ja auch noch das Programm laufen lassen, um das es ihm eigentlich geht. Er ist ja nicht ohne Grund in den Maschinenraum eingebrochen“, beendete Lars die Ausführungen. „Das könnte noch mal ein paar Stunden dauern. Dazu noch die halbe Stunde, die er braucht,
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