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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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den Ohren.
    »Setzt Ihr Euch nicht besser, Mylord?«, fragte Byrd besorgt, während er versuchte, den Fußabdruck von dem Pergament zu klopfen. »Da drüben ist ein Fass, das gerade niemand benutzt.«
    »Nein, danke, Tom. Es geht mir schon besser.« Das stimmte; nach der anstrengenden Kletterpartie kehrten seine Kräfte jetzt zurück, da ihm die kalte Brise den Schweiß trocknete und den Kopf klar fegte. Das Schiff stellte einen viel ruhigeren Untergrund dar als das Dory. Seine Ohren summten immer noch, doch er spannte die Bauchmuskeln an und blickte dem Offizier hinterher. »Habt Ihr gesehen, wohin dieser Mann gegangen ist? Wir sollten ihm folgen; es ist besser, wenn Trevelyan nicht zu sehr gewarnt wird.«
    Das Schiff schien in totalem Aufruhr zu sein, obwohl Grey davon ausging, dass das Durcheinander Methode hatte. Seeleute huschten hin und her oder kamen mit der Plötzlichkeit reifer Früchte aus der Takelage geplumpst,
und es herrschte ein solches Hin und Her von Rufen, dass er keine Ahnung hatte, wie irgendjemand den einen vom anderen unterscheiden konnte. Ein Vorteil dieses Wahnsinns war jedoch, dass niemand versuchte, sie aufzuhalten, oder gar Notiz von ihrer Anwesenheit nahm, als Tom Byrd sie jetzt durch ein Paar halbhoher Türen und dann über eine Leiter hinunter in die schattenerfüllten Tiefen des Unterdecks führte; als ob man in ein Rattenloch stieg, dachte er dumpf - sind Tom und ich die Frettchen?
    Ein kurzer Korridor, dann eine weitere Leiter - folgte Tom vielleicht dem Offizier tatsächlich mithilfe seiner Nase durch die Eingeweide des Schiffs? -, dann eine Kurve, und da: Der Offizier stand vor einer schmalen Tür, durch die Licht in das höhlenartige Unterdeck strömte, und sprach mit jemandem, der darin stand.
    »Das ist er, Mylord«, sagte Tom außer Atem. »Das muss er sein.«
    »Tom! Tom, Junge, bist du das?«
    Eine laute Stimme erklang ungläubig hinter ihnen, und als Grey herumfuhr, sah er seinen Kammerdiener in enger Umarmung mit einem hoch gewachsenen jungen Mann, dessen Gesicht seine Verwandtschaft mit ihm verriet.
    »Jack! Ich dachte, du bist tot! Oder ein Mörder.« Tom entwand sich der Umarmung seines Bruders. Sein Gesicht strahlte, doch es lag auch Angst darin. »Bist du ein Mörder, Jack?«
    »Nein. Was zum Teufel meinst du damit, du kleines Teiggesicht?«
    »So sprichst du nicht mit mir. Ich bin Kammerdiener Seiner Lordschaft, und du bist nur ein Hausdiener, also!«
    »Du bist was? Nein, nie im Leben!«

    Grey hätte gern gehört, wie sich die Unterhaltung weiterentwickelte, doch seine Pflicht lag in der anderen Richtung. Mit donnerndem Herzen kehrte er den Byrds den Rücken zu und schob sich an dem Schiffsoffizier vorbei, ohne dessen Protest zu beachten.
    Die Kabine war geräumig. Heckfenster fluteten sie mit Licht, und er blinzelte in der plötzlichen Helligkeit. Es waren noch mehr Personen anwesend - er war sich ihrer dumpf bewusst -, doch seine Aufmerksamkeit war einzig und allein auf Trevelyan geheftet.
    Trevelyan saß auf einer Schiffstruhe. Er trug keinen Rock, hatte einen Hemdsärmel hochgekrempelt und presste mit einer Hand ein blutbeflecktes Tuch gegen seinen Unterarm.
    »Guter Gott«, sagte Trevelyan und starrte ihn an. »Nemesis, so wahr ich lebe und atme.«
    »Wenn Ihr so wollt.« Grey schluckte eine plötzliche Speichelflut hinunter und holte tief Luft. »Ich verhafte Euch, Joseph Trevelyan, wegen Mordes an Reinhardt Mayrhofer, Kraft meines …« Grey steckte die Hand in seine Tasche, doch Tom Byrd hatte seinen Brief noch. Es spielte keine Rolle; er war ja in Reichweite.
    Ein vibrierendes Zittern erhob sich unter seinen Füßen, bevor er weitersprechen konnte, und die Planken schienen sich unter ihm zu regen. Er stolperte und fing sich an einer Ecke des Schreibtischs, Trevelyan lächelte ein wenig reumütig.
    »Wir sind unterwegs, John. Was Ihr da hört, ist die Ankerkette. Und dies ist mein Schiff.«
    Grey holte erneut tief Luft, als er mit einem fatalen Gefühl seinen Fehler begriff. Er hätte allen Einwänden zum
Trotz darauf bestehen sollen, den Kapitän zu sprechen. Er hätte seinen Brief vorzeigen und sicher gehen sollen, dass das Schiff um jeden Preis an der Abfahrt gehindert wurde - doch in seiner Eile, Trevelyan dingfest zu machen, hatte sein Urteilsvermögen versagt. Er hatte an nichts anderes denken können als daran, den Mann zu finden, ihn in die Enge zu treiben und endlich zur Rechenschaft zu ziehen. Und jetzt war es zu spät.
    Er war allein, bis auf Tom

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