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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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auf das graue Wasser, das an ihnen vorbeiströmte, obwohl Grey selbst unter Eid nicht hätte sagen können, in welche Richtung es floss.
    Grey, der sich nach einer Nacht und dem Großteil eines Tages in der schaukelnden, hüpfenden Postkutsche noch benommen fühlte, war nicht danach zumute, auf das Wasser zu blicken; alles, was er sah, schien in Bewegung zu sein, und zwar in gegensätzliche und Schwindel erregende Richtungen - Wasser, Wolken, Wind, das schwankende Boot unter ihnen. Wenn er den Mund öffnete, hatte er das Gefühl, sich übergeben zu müssen. Also begnügte er sich mit einem finsteren Blick in Richtung des Ruderers und einem bedeutungsvollen Griff nach seiner Geldbörse, was als Antwort völlig ausreichte.

    »Kann sein, dass sie fort ist, bevor wir sie erreichen - aber wir versuchen es, Sir, aye, wir tun, was wir können!« Der Mann verdoppelte seine Anstrengungen und tauchte seine Ruder fest ein. Grey schloss die Augen und klammerte sich fest an das schuppenverkrustete Brett, auf dem er saß, während er versuchte, den durchdringenden Gestank nach totem Fisch zu ignorieren.
    »Ahoi! Ahoi!« Der Ruf des Ruderers riss ihn aus seinem zähen Elend, und er sah die Seitenwand des Indienfahrers wie ein Kliff vor sich aufragen. Sie waren zwar noch weit davon entfernt, und doch löschte das riesenhafte Schiff die Sonne aus und warf einen kalten, dunklen Schatten über sie.
    Sogar eine Landratte wie er konnte sehen, dass die Nampara direkt vor der Abfahrt stand. Ganze Scharen kleinerer Boote, von denen er vermutete, dass sie den großen Indienfahrer mit Vorräten beliefert hatten, ruderten an ihnen vorbei auf das Ufer zu und zerstreuten sich wie winzige Fische, die aus der Nähe eines riesigen Seemonsters kurz vor dem Erwachen flohen.
    Eine wacklige Strickleiter hing noch an der Seitenwand; während das Dory beilegte und der Fahrer das Boot geschickt mit einem Ruder auf Abstand von der Schiffswand hielt, stand Grey auf, warf dem Ruderer seine Bezahlung zu und ergriff eine Stufe. Eine Welle zog ihm das Boot unter den Füßen weg, und er klammerte sich verzweifelt fest, während sich das Schiff mit ihm hob und senkte.
    Eine kleine Flotte von Kotbrocken trieb unter seinen Füßen vorbei, Fäkalien aus der Schiffslatrine. Er wandte das Gesicht nach oben und begann langsam und steif zu klettern, dicht gefolgt von Tom Byrd, der zu verhindern
versuchte, dass er stürzte. Schließlich kam er oben an, am ganzen Körper mit kaltem Schweiß bedeckt, Blutgeschmack wie Metall in seinem Mund.
    »Ich möchte den Besitzer sprechen«, sagte er keuchend zu dem Handelsoffizier, der Hals über Kopf aus dem Durcheinander der Masten und der Netze aus schwankenden Seilen angestürzt kam. »Sofort, auf Befehl Seiner Majestät.«
    Der Mann schüttelte den Kopf, ohne zu beachten, was er sagte, einzig daran interessiert, dass sie nicht im Weg waren. Er wandte sich bereits ab und winkte mit einer Hand nach jemandem, der sie fortbringen sollte.
    »Der Kapitän ist beschäftigt, Sir. Wir sind im Begriff loszusegeln. Henderson! Kommt und -«
    »Nicht den Kapitän«, sagte Grey und schloss kurz die Augen, weil ihm beim Anblick des wirbelnden Spinnennetzes aus Seilen über ihm schwindelig wurde. Er griff in seinen Rock und tastete nach seiner arg zerknitterten Vollmacht. »Den Besitzer. Ich möchte Mr. Trevelyan sehen - sofort.«
    Der Kopf des Offiziers fuhr herum, und er musterte ihn scharf, wobei er in Greys Blickfeld zu schwanken schien wie eine der dunklen Planken, auf denen er stand.
    »Ist Euch nicht wohl, Sir?« Die Worte klangen, als kämen sie vom Boden einer Regentonne. Grey feuchtete seine Lippen mit der Zunge an, um zu antworten, doch es kam ihm jemand zuvor.
    »Natürlich ist ihm nicht wohl, Dummkopf«, sagte Byrd heftig an seiner Seite. »Aber das spielt jetzt keine Rolle. Ihr bringt jetzt den Major, wohin er es sagt, und zwar plötzlich!«

    »Wer seid Ihr denn, mein Junge?« Der Offizier plusterte sich auf und funkelte Byrd an, der sich davon nicht beeindrucken ließ.
    »Das spielt ebenfalls keine Rolle. Er sagt, er hat einen Brief vom König, und so ist es auch, also hopp, hopp, Kumpel!«
    Der Offizier riss Grey das Papier aus den Fingern, sah das königliche Siegel und ließ es fallen, als stünde es in Flammen. Tom Byrd stellte den Fuß darauf, bevor es davonfliegen konnte, und hob es auf, während der Offizier zurückwich und Entschuldigungen murmelte - oder auch Flüche; Grey konnte es nicht sagen, denn es summte ihm in

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