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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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abzufrieren, während der verdammte Regen durch jede Ritze und jedes Fenster kommt …« Quarry zog seine Perücke ab, kratzte sich ganz unbefangen den zunehmend kahlen Schädel, dann setzte er sie wieder auf.
    »Und keine Gesellschaft außer den griesgrämigen Schotten; ich bin da keiner einzigen Hure begegnet, die mir nicht das Gefühl gegeben hat, dass sie ihn mir genau
so gut abschneiden wie es ihm besorgen könnte. Einen Monat länger, und ich hätte mir eine Kugel in den Kopf gejagt, wenn Ihr nicht zu meiner Ablösung gekommen wärt, das schwöre ich, Grey. Welcher arme Tropf ist denn Euer Nachfolger?«
    »Niemand.« Grey kratzte sich seinerseits geistesabwesend unter seinem blonden Haar, von Quarrys Kopfjucken angesteckt. Er blickte nach draußen; die Straße war immer noch belebt, doch der Lärm der Menge wurde dankenswerterweise durch die Bleiverglasung gedämpft. Zwei Sänften waren zusammengestoßen, als die Menge ihre Träger aus dem Gleichgewicht brachte. »Ardsmuir ist kein Gefängnis mehr; die Gefangenen sind deportiert worden.«
    »Deportiert?« Quarry spitzte überrascht die Lippen, dann nippte er an seinem Kaffee, diesmal vorsichtiger. »Na ja, geschieht ihnen recht, den elenden Hurensöhnen. Hm!« Er grunzte und schüttelte den Kopf über den Kaffee. »Die meisten von ihnen haben es verdient. Nur schade um Fraser - Ihr erinnert Euch doch an einen Mann namens Fraser, einen großen, rothaarigen Kerl? Einer von den jakobitischen Offizieren - ein Gentleman. Hatte ihn wirklich gern«, sagte Quarry, und seine raue Fröhlichkeit wurde ein wenig nüchterner. »Schade. Hattet Ihr Gelegenheit, mit ihm zu sprechen?«
    »Dann und wann.« Grey spürte, wie eine vertraute Anspannung ihm den Magen zusammenballte, und wandte sich ab, um sich nichts anmerken zu lassen. Die Sänften standen jetzt beide auf dem Boden, und ihre Träger brüllten und schubsten einander an. Die Straße war schon eng, wenn sie nur durch den normalen Verkehr der Händler und Laufburschen verstopft war; jetzt machten die Passanten,
die stehen blieben, um sich den Streit anzusehen, sie noch unpassierbarer.
    »Dann kanntet Ihr ihn gut?« Er konnte nicht anders; ob es ihm nun Trost oder Schmerz brachte, ihm blieb jetzt keine andere Wahl mehr, als von Fraser zu sprechen - und Quarry war der einzige Mensch in London, mit dem er über ihn sprechen konnte.
    »Oh ja - oder jedenfalls so gut, wie man jemanden in dieser Situation kennen lernen kann«, erwiderte Quarry beiläufig. »Ließ ihn jede Woche in meinem Quartier zu Abend essen; sehr höfliche Ausdrucksweise, gutes Händchen beim Kartenspiel.« Er hob die fleischige Nase von seinem Glas; seine Wangen waren durch den Dampf noch mehr als sonst gerötet. »Natürlich war er kein Mann, der dazu einlud, ihn zu bemitleiden, doch man konnte kaum umhin, seine Lebensumstände mit Mitgefühl zu betrachten.«
    »Mitgefühl? Und doch habt Ihr ihm seine Ketten gelassen?« Quarry blickte scharf auf, denn er hörte den gereizten Unterton in Greys Worten.
    »Mag ja sein, dass ich den Mann mochte, aber vertraut habe ich ihm nicht. Nicht nach dem, was einem meiner Sergeanten zugestoßen ist.«
    »Und was war das?« Lord John schaffte es, nicht mehr als geringes Interesse in der Frage mitklingen zu lassen.
    »Missgeschick. Bei einem Unfall im Wasser am Boden des Steinbruchs ertrunken«, sagte Quarry, während er mehrere Teelöffel Kandiszucker in eine frische Tasse fallen ließ und heftig darin rührte. »Das habe ich zumindest in meinem Bericht geschrieben.« Er sah von seinem Kaffee auf und zwinkerte Grey auf seine typische anzügliche, schiefe Weise zu. »Ich mochte Fraser. Hatte nichts für den
Sergeanten übrig. Aber haltet einen Mann niemals für hilflos, Grey, nur weil er in Eisen liegt.«
    Grey suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, weiter nachzufragen, ohne sich sein leidenschaftliches Interesse anmerken zu lassen.
    »Also glaubt ihr…« hub er an.
    »Da«, sagte Quarry, der sich plötzlich erhob. »Da! Wenn das nicht Bob Gerald ist!«
    Lord John fuhr auf seinem Stuhl herum. Natürlich, die Nachmittagssonne schlug Funken auf einem flammenden Kopf, dessen Besitzer gerade einer der festsitzenden Sänften entstieg. Gerald richtete sich auf, das Gesicht zu einem fragenden Stirnrunzeln verzogen, und fing an, sich zwischen den Knoten der streitenden Träger zu schieben.
    »Was hat er wohl vor, frage ich mich? Sicherlich … Heh! Halt! Halt, du Lump!« Achtlos ließ Quarry seine Tasse fallen und eilte

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