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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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gesehen?«
    »Das Flugblatt? Ja; woher habt Ihr es?«
    »Es wird überall in der Stadt verbreitet; nicht nur dieser abartige Auswuchs - auch viele andere, die genau so widerlich oder schlimmer sind.«
    Grey verspürte ein unangenehmes Prickeln.
    »Mit ähnlichen Anschuldigungen?«
    »Dass Robert Gerald ein Päderast war? Ja, und schlimmer; dass er ein Mitglied eines berüchtigten Bundes von Sodomiten war, der sich trifft, um… na ja, Ihr kennt die Sorte? Widerlich!«
    Grey konnte nicht sagen, ob sich Letzteres auf die Existenz solcher Verbände bezog oder darauf, dass Geralds
Name in einem solchen Zusammenhang genannt wurde. Demzufolge wählte er seine Worte sorgsam.
    »Ja, ich habe davon gehört.«
    Grey wusste von solchen Zusammenschlüssen, wenn auch nicht aus persönlicher Erfahrung. Man sagte, dass es zahlreiche solcher Verbände gab - er wusste von diversen Wirtshäusern und Hinterzimmern, ganz zu schweigen von den berüchtigteren Badehäusern, in denen … Dennoch, Anstand und Vorsicht hatten jede genauere Nachfrage nach einem solchen Bund verhindert.
    »Muss ich erwähnen, dass … dass derartige Beschuldigungen jeder, auch der geringsten Spur von Wahrheit entbehren?« Quarry sprach stockend, wobei er Greys Blick auswich. Grey legte Quarry eine Hand auf den Ärmel.
    »Nein, das braucht Ihr nicht zu erwähnen. Da bin ich mir ganz sicher«, sagte er leise. Quarry blickte auf, lächelte ihm halb verlegen zu und umschloss kurz seine Hand.
    »Danke«, sagte er mit rauer Stimme.
    »Aber wenn dem nicht so ist«, merkte Grey an, um Quarry Zeit zu geben, die Fassung wiederzuerlangen, »dann schmeckt ein derart rasch verbreitetes Gerücht nach organisiertem Rufmord. Und das wiederum ist doch sehr seltsam, meint Ihr nicht?«
    Offensichtlich nicht. Quarry sah ihn verständnislos an. »Jemand hatte nicht nur den Wunsch, Robert Gerald zu vernichten«, erklärte Grey, »sondern ihm lag auch daran, seinen Namen zu beschmutzen. Wieso? Der Mann ist tot, wer könnte es für notwendig erachten, auch noch seinen Ruf zu zerstören?«
    Quarry machte ein erschrockenes Gesicht, dann runzelte
er die Stirn und dachte so angestrengt nach, dass seine Augenbrauen fast zusammenstießen.
    »Teufel«, sagte er gedehnt. »Verdammt, Ihr habt Recht. Aber wer …?« Er hielt inne und blickte nachdenklich über die versammelten Gäste hinweg.
    »Ist der Premierminister hier?« Grey spähte durch die herabhängenden Blätter der Pflanze. Es war eine kleine, aber exquisite Gesellschaft von einer besonderen Sorte; nicht mehr als vierzig Gäste, die alle auf der höchsten Machtstufe standen. Keine affektierten Lebemänner oder dümmlichen Salonlöwen; natürlich waren auch Damen anwesend, die für Eleganz und Schönheit sorgten - aber es waren die Männer, die zählten. Mehrere Minister waren hier, der Seelord, ein Assistent des Finanzministers … Grey hielt inne, denn er fühlte sich, als hätte ihm jemand fest in den Magen geboxt.
    Quarry murmelte ihm etwas ins Ohr, irgendeine Erklärung bezüglich der Abwesenheit des Premierministers, doch Greys Aufmerksamkeit galt ihm nicht länger. Er kämpfte mit dem Bedürfnis, noch tiefer in den Schatten zurückzutreten.
    George Everett sah gut aus - sehr gut sogar. Perücke und Puder betonten die Schwärze seiner Augenbrauen und die feinen, dunklen Augen darunter. Ein festes Kinn und ein langer, lebhafter Mund - Greys Zeigefinger zuckte unfreiwillig und fuhr in der Erinnerung seinen Umriss nach.
    »Ist Euch nicht gut, Grey?« Quarrys schroffe Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Doch. Nur eine kurze Anwandlung, sonst nichts.« Grey riss seinen Blick von Everetts schlanker, elegant in Schwarz und Gelb gekleideter Gestalt los. Es war schließlich
nur eine Frage der Zeit gewesen; er hatte gewusst, dass sie sich wieder begegnen würden - und so war er zumindest nicht überrumpelt worden. Mühsam wandte er Quarry wieder seine Aufmerksamkeit zu.
    »Die Neuigkeiten, die Ihr erwähnt habt. Sind sie…«
    Quarry unterbrach ihn, ergriff seinen Arm und zog ihn aus dem Schutz der Bäume in das Gewimmel des Empfangs.
    »Oh, hier ist Lucinda. Kommt, Sie möchte Euch sehen.«
    Lady Lucinda Joffrey war klein und rund, das dunkle Haar trug sie ungepudert, eng an den Kopf angelegt, und ihre Löckchen hatte sie mit einer Schmuckspange aus Fasanenfedern festgesteckt, die gut zu ihrem rotbraunen Kleid passte. Ihr Gesicht war rundlich und gewöhnlich, obwohl man hätte sagen können, dass es Charakter habe, wenn mehr Leben

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