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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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wünschte, das ist alles. Musst du so brüllen, Harry?« In dieser Ecke des Zimmers war es kühl, doch Grey glaubte, sich an dem Feuer in Geralds glatten Wangen die Hände wärmen zu können.
    Quarry prustete amüsiert und warf einen Blick auf die umstehenden Sessel.
    »Wer soll es denn hören? Der alte Cotterill ist stocktaub, und der General ist halb tot. Und was kümmert es dich überhaupt, wenn die Angelegenheit so harmlos ist, wie du vorgibst?« Quarry ließ den Blick - plötzlich intelligent und durchdringend - zu seinem angeheirateten Vetter schweifen.
    »Ich habe nicht gesagt, dass sie harmlos war«, erwiderte Gerald trocken. »Ich sagte, ich habe es abgelehnt, darauf einzugehen. Und mehr, lieber Harry, bekommst du nicht zu hören, also lass die durchdringenden Blicke. Sie mögen ja bei deinen Untergebenen funktionieren, aber nicht bei mir.«
    Grey lachte, und einen Augenblick später fiel Quarry ein. Er klopfte Gerald auf die Schulter, und seine Augen funkelten.
    »Mein Vetter ist die Diskretion in Person, Lord John. Aber so sollte es ja auch sein, nicht wahr?«
    »Ich habe die Ehre, dem Premierminister als zweiter Sekretär zu dienen«, erklärte Gerald, der wohl das Unverständnis in Greys Gesicht sah. »Und Regierungsgeheimnisse mögen zwar langweilig sein - zumindest für Harrys Verhältnisse« - er warf seinem Vetter ein boshaftes Grinsen zu -, »doch es steht mir dennoch nicht zu, sie auszuplaudern.«

    »Na ja, sie würden Lord John sowieso nicht interessieren«, sagte Quarry philosophisch und stürzte sein drittes Glas alten Rotweins mit einer respektlosen Hast hinunter, als hätte er es mit Portwein zu tun. Grey sah, wie der Chefsteward in stummem Entsetzen über dieses Sakrileg die Augen schloss, und lächelte vor sich hin - und zwar nicht als Einziger, denn er fing einen Blick von Mr. Gerald auf, der ihn mit seinen sanften, braunen Augen ansah und ein ähnliches, komplizenhaftes Lächeln auf den Lippen trug.
    »Solche Dinge sind für niemanden von großem Interesse, außer denen, die direkt davon betroffen sind«, sagte Gerald, der Grey immer noch anlächelte. »Wisst Ihr, die heftigsten Schlachten werden über Dinge ausgefochten, bei denen nur wenig auf dem Spiel steht. Aber wo liegen denn Eure Interessen, Lord John, wenn nicht bei der Politik.«
    »Oh, es mangelt mir nicht an Interesse«, erwiderte Grey und sah Robert Gerald direkt in die Augen. Oh, nein, es mangelt mir wirklich nicht an Interesse. »Sondern eher an Information. Ich bin eine ganze Zeit nicht in London gewesen; ich habe völlig… den Anschluss verloren.«
    Ohne es zu wollen, umschloss er sein Glas mit einer Hand, und sein Daumen wanderte langsam aufwärts und strich über die glatte, kühle Oberfläche, als wäre sie die Haut eines Menschen. Hastig stellte er das Glas ab und sah dabei den Saphirring an seiner Hand blau aufblitzen. Er hätte das Feuer eines Leuchtturms sein können, sinnierte er voller Ironie, eine Warnung vor rauer See in der Zukunft.
    Und doch verlief die Unterhaltung weiterhin reibungslos,
trotz Quarrys scherzhafter Erkundigungen nach Greys jüngstem Posten in der schottischen Wildnis und seiner Spekulationen über die weitere Offizierslaufbahn seines Bruders. Da Ersteres Terra prohibita und Letzteres Terra incognita war, hatte Grey nur wenig zu erwidern, und das Gespräch ging zu anderen Dingen über: Pferden, Hunden, Armeegerüchten und ähnlichen, harmlosen Männerthemen.
    Allerdings spürte Grey dann und wann die braunen Augen auf sich ruhen. Sie trugen einen Ausdruck der Spekulation, den Anstand und Vorsicht ihm zu interpretieren verbaten. Es überraschte ihn jedoch nicht, dass er sich nach dem Verlassen des Clubs mit Gerald allein im Vestibül wiederfand - Quarry war von einem Bekannten aufgehalten worden, dem sie im Vorübergehen begegnet waren.
    »Es ist aufdringlich von mir, Sir«, sagte Gerald und trat so nah an ihn heran, dass der Türsteher seine leisen Worte nicht verstehen konnte. »Doch ich würde Euch gern um einen Gefallen bitten, wenn Euch das nicht allzu sehr widerstrebt?«
    »Ich stehe ganz zu Eurer Verfügung, das versichere ich Euch«, sagte Grey und spürte, wie die Wärme des Rotweins in seinem Blut dem Ansturm einer tieferen Hitze wich.
    »Ich möchte … das heißt, ich hege Zweifel bezüglich eines Umstandes, auf den ich aufmerksam geworden bin. Da Ihr gerade erst nach London gekommen seid - das heißt, Ihr habt den Vorteil der Perspektive, die mir aufgrund meiner Vertrautheit mit

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