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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verfärbt war.
    Das Taschentuch fest an sein Gesicht gepresst, beugte sich Grey dichter darüber, um die Prellungen zu begutachten, die den Rücken bedeckten. Er winkte Tom Byrd, der sich dicht an die Wand des Schuppens gedrückt hielt. Seine Sommersprossen zeichneten sich dunkel auf seinem blassen Gesicht ab.
    »Seht Ihr das?« Grey deutete auf die schwarzen Flecken auf dem Rücken und den Gesäßbacken der Leiche. »Ich
glaube, dass man auf ihn eingetreten hat und auf ihm herumgetrampelt ist.«
    »Ja, Sir?«, sagte Byrd schwach.
    »Ja. Ihr seht doch, dass die Haut im ganzen Dorsalbereich verfärbt ist.«
    Byrd warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass er nicht das Geringste sah, einschließlich eines Grundes für seine eigene Existenz.
    »Sein Rücken«, verbesserte sich Grey. » Dorsum ist das lateinische Wort für Rücken.«
    »Oh, aye«, sagte Byrd, der jetzt begriff. »Das sehe ich ganz deutlich, Mylord.«
    »Es bedeutet, dass er nach seinem Tod einige Zeit auf dem Rücken gelegen hat. Ich habe schon öfter gesehen, wie Männer zur Beerdigung von einem Schlachtfeld geholt worden sind; die Teile des Körpers, die unten gelegen haben, sind fast immer so verfärbt.«
    Byrd, der aussah, als sei ihm etwas übel, nickte.
    »Aber Ihr habt ihn mit dem Gesicht nach unten im Wasser gefunden, ist das richtig?«, wandte sich Grey an den Konstabler.
    »Ja, Mylord.«
    »Er hatte keine schwere Verletzung an der Vorderseite seines Körpers, die seinen Tod verursacht haben könnte, und ich sehe auch hier keine solche Verletzung - Ihr, Byrd? Nicht erstochen, nicht erschossen, nicht mit einer Garotte erwürgt…«
    Byrd schwankte leicht, fing sich jedoch, und man konnte hören, wie er etwas murmelte, das wie »… Kopf vielleicht?« klang.
    »Vielleicht. Hier, haltet das.« Grey drückte Byrd das
Taschentuch in die feuchte Hand, dann hielt er den Atem an und begann, vorsichtig in O’Connells Haar herumzutasten. Er stellte mit Interesse fest, dass jemand, der darin nicht viel Übung besaß, versucht hatte, das Haar der Leiche zu einem anständigen Soldatenzopf zu flechten, der um ein Polster aus Schafwolle gewickelt und mit einem Lederriemen zusammengebunden war. Doch wer es auch immer getan hatte, hatte keinen Reispuder gehabt, um das Werk zu vollenden. Jemand, dem an dem Toten lag, hatte die Leiche zurechtgemacht - nicht Mrs. O’Connell, dachte er, aber irgendjemand.
    Die Kopfhaut hatte ihre Spannung verloren und verschob sich unangenehm unter seinen tastenden Fingern. Der Kopf hatte diverse Beulen, die wahrscheinlich von Tritten oder Hieben stammten … ja, da. Und da. An zwei Stellen gab der Schädelknochen nach innen nach, sodass ihm übel wurde. Hervortretende Flüssigkeit befeuchtete Greys Fingerspitzen.
    Byrd machte ein leises Würgegeräusch, als Grey seine Hand zurückzog, und stürzte ins Freie, das Taschentuch immer noch vor sein Gesicht gepresst.
    »Hatte er seine Uniform an, als man ihn gefunden hat?«, fragte Grey den Konstabler. Seines Taschentuchs beraubt, wischte er sich die Finger gründlich am Leichentuch ab und wies die beiden Häftlinge kopfnickend an, die Leiche wieder in ihre ursprüngliche Lage zu drehen.
    »Nein, Sir.« Der Konstabler schüttelte den Kopf. »Bis aufs Hemd ausgezogen. Aber wir haben an seinen Haaren erkannt, dass er einer von uns war, und mit etwas Nachfragen haben wir jemanden gefunden, der seinen Namen und sein Regiment kannte.«

    Bei diesen Worten spitzte Grey die Ohren.
    »Soll das heißen, dass er in der Gegend, in der man ihn gefunden hat, bekannt war?«
    Der Konstabler runzelte die Stirn.
    »Ich nehm’s an«, sagte er und rieb sich das Kinn, als könnte er so besser denken. »Lasst mich nachdenken … Ja, Sir, ich bin mir sicher, dass es so war. Als wir ihn aus dem Wasser gezogen haben und ich gesehen habe, dass er Soldat war, bin ich ins ›Oak & Oyster‹ gegangen, um dort Erkundigungen einzuholen - das ist das nächste Wirtshaus, in das viele Soldaten gehen. Habe ein paar von den Gästen mitgenommen, damit sie einen Blick auf ihn werfen konnten; soweit ich mich erinnere, war es die Kellnerin aus dem ›Oyster‹, die ihn erkannt hat.«
    Die Leiche war umgedreht worden, und einer der Häftlinge, der die Lippen fest gegen den Geruch zusammengepresst hatte, zog gerade das Leichentuch wieder hoch, als Grey ihn mit einer Handbewegung aufhielt. Er beugte sich stirnrunzelnd über den Sarg und zeichnete die Markierung auf O’Connells Stirn nach. Es war tatsächlich der Abdruck

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