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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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eines Absatzes, der sich deutlich auf der hellen Haut abzeichnete. Er konnte die Nagelköpfe zählen.
    Er nickte vor sich hin und richtete sich auf. Die Leiche war fortbewegt worden, das stand fest. Aber von wo? Wenn der Sergeant bei einer Prügelei umgekommen war, wie es der Fall zu sein schien, war ein solches Vorkommnis vielleicht zur Anzeige gebracht worden.
    »Könnte ich ein Wort mit Eurem Vorgesetzten sprechen, Sir?«
    »Das ist Konstabler Magruder, Sir - im Zimmer vorne links. Seid Ihr mit der Leiche fertig, Sir?« Er wies die
beiden verdrossenen Sträflinge bereits mit Gesten an, O’Connell wieder zu verhüllen und den Sargdeckel festzunageln.
    »Oh … ja. Ich glaube schon.« Grey hielt inne und überlegte. War einem Waffenkameraden gegenüber vielleicht eine Art zeremonieller Abschiedsgeste angebracht? Doch O’Connells ausdrucksloses, geschwollenes Gesicht hatte nichts an sich, was zu einer solchen Geste eingeladen hätte, und den Konstabler kümmerte es mit Sicherheit nicht. Schließlich nickte er der Leiche kaum merklich zu, gab dem Konstabler einen Shilling für seine Mühen und ging.
     
    Konstabler Magruder war ein kleiner, gerissen aussehender Mann, dessen schmale Augen unablässig von der Tür zu seinem Schreibtisch und wieder zurückhuschten, damit ihm auch ja nichts entging. Grey empfand dies als ermutigend, weil es Anlass zu der Hoffnung gab, dass dem Konstabler und seinen Mannen tatsächlich kaum etwas entging.
    Der Konstabler kannte den Grund für sein Kommen; Grey sah den Argwohn, der im Hintergrund seiner Schlitzaugen lauerte - und seinen raschen Blick in Richtung des Magistratsbüros nebenan. Es war offensichtlich, dass er Angst hatte, Grey könnte den Magistrat, Sir John Fielding, aufsuchen, was beträchtlichen Ärger nach sich ziehen konnte.
    Grey kannte Sir John nicht persönlich, war sich jedoch einigermaßen sicher, dass seine Mutter ihn kannte. Allerdings gab es bis jetzt keinen Grund, ihn in die Sache hineinzuziehen. Da er begriff, was Magruder dachte, gab
sich Grey alle Mühe, entspannte Freundlichkeit und ergebene Dankbarkeit für die anhaltende Unterstützung des Konstablers zu demonstrieren.
    »Ich danke Euch, Sir, für den reibungslosen Ablauf. Ich zögere etwas, Eure Großzügigkeit noch weiter in Anspruch zu nehmen - aber wenn ich Euch ein oder zwei Fragen stellen könnte?«
    »Oh, aye, Sir.« Der Ausdruck des Argwohns wich nicht aus Magruders Gesicht, doch er entspannte sich ein wenig, offenbar erleichtert, dass man ihn wohl nicht darum bitten würde, zeitaufwändige und wahrscheinlich fruchtlose Ermittlungen anzustellen.
    »Wie ich höre, ist Sergeant O’Connell wahrscheinlich Samstagabend umgebracht worden. Ist Euch bekannt, ob es an diesem Abend in der Gegend irgendwelche Raufereien gegeben hat?«
    Magruders Gesicht zuckte.
    »Raufereien, Sir? Das ganze Viertel ist nach Anbruch der Dunkelheit eine einzige Rauferei. Raubüberfälle, Taschendiebstahl, Prügeleien und Straßenkämpfe, Unstimmigkeiten zwischen Huren und ihren Kunden, Einbrüche, Diebstahl, Kneipenstreitereien, grober Unfug, Brandstiftung, Pferdediebstahl, Vandalismus, wahllose Angriffe auf Unschuldige…«
    »Ja, ich verstehe. Aber wir sind uns doch hinreichend sicher, dass niemand Sergeant O’Connell in Brand gesteckt oder ihn mit einer Bordsteinschwalbe verwechselt hat.« Grey lächelte, um jeden Verdacht auf Sarkasmus von sich zu weisen. »Ich versuche nur, die Möglichkeiten einzugrenzen, versteht Ihr, Sir?« Er breitete entschuldigend die Hände aus. »Nur meine Pflicht, nicht wahr?«

    »Oh, aye.« Magruder war nicht ohne Humor; ein schwaches Glänzen ließ jetzt seine schmalen Augen aufleuchten und die schroffen Linien seines Gesichts weicher wirken. Er blickte von den Papieren auf seinem Schreibtisch zum Flur, in dem Rufe und Gerumpel aus dem Gefängnis im hinteren Gebäudeteil widerhallten, dann wieder zu Grey.
    »Ich muss mit dem Nachtkonstabler sprechen und die Protokolle durchsehen. Wenn ich etwas finde, das Euch bei Euren Ermittlungen nützen könnte, Major, schicke ich Euch eine Notiz, ja?«
    »Ich wäre Euch sehr dankbar, Sir.« Grey erhob sich prompt, und die beiden Männer verabschiedeten sich unter Versicherungen gegenseitiger Wertschätzung.
    Tom Byrd saß draußen auf dem Bordstein. Er war zwar noch blass, doch es ging ihm besser. Auf Greys Geste hin sprang er auf und setzte sich hinter ihm in Bewegung.
    Würde Magruder irgendetwas Hilfreiches zutage fördern?, fragte sich Grey. Es gab

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