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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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dunkel und halb von Abfällen verstopft. Eine Ratte, die schon von den Taschendieben aufgestört worden war, zischte ihn von einem Abfallhaufen an; er schwang die Flasche und schleuderte damit das Tier gegen die Wand, auf der es mit einem zufriedenstellenden, saftigen Geräusch aufprallte, bevor es schlaff zu seinen Füßen landete. Er trat es beiseite und ging weiter, die Flasche schlagbereit und die Hand am Dolch, während er vor sich auf Schritte lauschte.
    Die Gasse gabelte sich und vollführte eine Rechtskurve zurück zu der Straße, von der er gekommen war; er blieb stehen und lauschte, dann riskierte er einen raschen Blick um die Ecke. Ja, da waren sie, sprungbereit hingehockt,
Stöcke in der Hand. Das verfluchte Mädchen hatte ein Messer oder eine Glasscherbe in der Hand; er sah es glitzern, als sie sich bewegte.
    Nur noch ein paar Sekunden, und sie würden begreifen, dass er nicht die Straße entlangkam. Er schritt lautlos an der Gabelung vorbei und bahnte sich, so schnell er konnte, seinen Weg durch das Gerümpel der linken Gasse. Er musste über nasse Abfallhaufen klettern und sich auf dem Hof eines Tuchwalkers seitlich durch die aufgehängten Stoffbahnen zwängen, was seinem Anzug übel mitspielte, doch schließlich kam er auf einer breiteren Straße aus.
    Er erkannte die Straße nicht, konnte jedoch die Kuppel der St.-Pauls-Kathedrale in der Ferne sehen und sich daran orientieren. Trotz des Gestanks nach Hundehaufen und fauligem Kohl fiel ihm das Atmen jetzt leichter. Er richtete seine Schritte nach Osten und wandte sich in Gedanken dem nächsten Punkt auf seinem Tagesplan unangenehmer Pflichten zu, nämlich der erneuten Suche nach einer Lücke in der Wolkendecke, die die Wahrheit über Tim O’Connells Leben und Tod verhüllte.
    Am Morgen war eine Note des rätselhaften Mr. Bowles eingetroffen, die besagte, dass man keine weiteren Verbindungen zwischen dem verstorbenen Sergeant und irgendwelchen bekannten ausländischen Agenten entdeckt hatte. Grey fragte sich grimmig, wie viele unbekannte Agenten es wohl in London geben mochte.
    Konstabler Magruder war am Abend zuvor persönlich vorbeigekommen, um zu berichten, dass die Nachforschungen im »Turk’s Head«, dem Schauplatz der Prügelei vom Samstag, zu keinem Ergebnis geführt hatten. Der
Besitzer des Wirtshauses bestand hartnäckig darauf, dass O’Connell die Schänke betrunken, aber auf den eigenen Füßen verlassen hatte. Er räumte zwar ein, dass es in der fraglichen Nacht zu einer Rauferei gekommen war, behauptete jedoch unbeirrbar, dass das Einzige, was dabei Schaden genommen hatte, ein Fenster seiner Wirtschaft gewesen war, als ein Gast einen anderen mit dem Kopf zuerst hindurchgeworfen hatte. Man hatte keine Zeugen gefunden, die O’Connell später an diesem Abend gesehen hatten - oder die bereit waren, es zuzugeben.
    Grey seufzte, und die Seifenblase seiner sanften Hochstimmung platzte. Bowles war davon überzeugt, dass O’Connell der Verräter war - und wahrscheinlich war er es ja auch. Doch je länger die Ermittlungen andauerten, desto mehr entstand auch bei Grey der Eindruck, dass O’Connells Tod eine rein persönliche Angelegenheit gewesen war. Und wenn das der Fall war, lagen die Verdächtigen auf der Hand.
    Das war also der nächste Schritt: die Verhaftung Finbar Scanlons und seiner Frau. Nun, wenn es sein musste, musste es sein.
    Unter den Umständen war die Vorgehensweise klar. Man musste sie festnehmen und getrennt verhören. Quarry würde Scanlon klarmachen, dass man Francine höchstwahrscheinlich für den Mord an O’Connell hängen würde, wenn sich nicht beweisen ließ, dass sie nicht in das Verbrechen verwickelt war - und was für einen Beweis konnte es außer Scanlons Schuldeingeständnis dafür geben?
    Natürlich hing der Erfolg von der Voraussetzung ab, dass Scanlon die Frau nicht nur genug liebte, um für sie
zu morden, sondern auch, um für sie zu sterben - und es war möglich, dass dem nicht so war. Allerdings war es ein guter Anfang. Und wenn es nicht funktionierte, nun, dann konnte man der Frau die gleiche Argumentation, bezogen auf ihren neuen Ehemann, vielleicht mit mehr Erfolg vortragen.
    Es war eine schmutzige Angelegenheit, und es bereitete ihm kein Vergnügen, sie zu lösen. Doch es war nun einmal notwendig - und das Ganze beinhaltete immerhin einen kleinen Hoffnungsschimmer. Wenn O’Connell tatsächlich die Listen gestohlen hatte und sie zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht weitergegeben hatte, dann wussten

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