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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Duft näher zu holen.
    Er breitete sich über Mund und Gaumen aus und wanderte ihm als magische Wolke in den Kopf; der Geschmack entfaltete sich wie eine Reihe aufblühender Blumen, von denen jede nach einer anderen Kopfnote duftete: Vanille, Pflaume, Apfel, Birne … und dann der delikateste Nachgeschmack, den er nur mit dem saftigen Gefühl vergleichen konnte, das frisch gebutterter Toast auf der Zunge hinterließ.
    »Ich nehme ein Fass davon«, sagte er, ließ den Becher sinken und öffnete die Augen, als der letzte Hauch des Parfums in seinem Gaumen verflog. »Was ist das?«
    »Oh, Ihr mögt ihn!« Der kleine Mann klatschte fast in die Hände vor Entzücken. »Wie mich das freut! Nun, wenn dieser Wein nach Eurem Geschmack ist, dann bin ich überzeugt , dass Ihr auch diesen mögen werdet … Er schmeckt nicht jedem, man braucht einen besonders fein entwickelten Geschmackssinn, um seine subtile Note zu schätzen, aber Ihr , Sir…« Der leere Becher wurde ihm aus der Hand gerissen und durch einen anderen ersetzt, bevor er Luft holen konnte, um etwas zu sagen.
    Während er sich fragte, wie viel er bereits ausgegeben hatte, hob er gehorsam den frischen Becher.
    Eine halbe Stunde später verließ er mit geschrumpfter Börse und angenehm schwebendem Kopf den Laden. Er fühlte sich wie eine Seifenblase, hell, luftig und in schillernden Farben glitzernd. Unter dem Arm hatte er eine verkorkte Flasche Schilcher, so hieß der mysteriöse deutsche Rotwein, und in der Tasche eine Liste jener Kunden von Fraser & Cie, die ihn gekauft hatten.

    Es war eine kurze Liste, obwohl es mehr waren, als er vermutet hätte - ein halbes Dutzend Namen, darunter Richard Caswell, Informationshändler. Was hatte ihm Caswell sonst noch wohl überlegt vorenthalten?, fragte er sich. Der enthusiastische Weinverkäufer, der sich irgendwann als Mr. Congreve vorgestellt hatte, war bedauerlicherweise nicht in der Lage, ihm viel über die anderen Käufer des deutschen Rotweins zu erzählen. »Die meisten unserer Kunden schicken einfach einen Dienstboten, wisst Ihr; eine Schande, dass nicht mehr persönlich kommen, so wie Ihr, Mylord!«
    Dennoch war an den Namen zu erkennen, dass mindestens vier der sechs Deutsche waren, wenn auch keiner von ihnen Meyer hieß. Wenn seine Mutter sie nicht identifizieren konnte, standen die Chancen gut, dass von Namtzen es konnte; die reichen Ausländer in London neigten dazu, Grüppchen zu bilden oder zumindest voneinander zu wissen. Preußen und Sachsen mochten zwar im gegenwärtigen Konflikt auf entgegengesetzten Seiten stehen, doch ihre Bewohner sprachen immerhin dieselbe Sprache.
    Ein Lumpenbündel, das auf dem Gehweg hockte, regte sich, als wollte es sich auf ihn zubewegen, und er fixierte es sofort mit seinem Blick, sodass es sich wieder zusammenkauerte und vor sich hinmurmelte. Seine Mutter hatte die Umgebung von Fraser & Cie sehr akkurat als »keine besonders angenehme Gegend« beschrieben, und der eisblaue Anzug mit den Silberknöpfen, der Mr. Congreve so hilfreich von seiner Kreditwürdigkeit überzeugt hatte, zog die weniger begehrenswerte Aufmerksamkeit der nicht ganz so ehrbaren Bewohner des Viertels auf sich.

    Er war so vorsichtig gewesen, sein Schwert als sichtbare Warnung zu tragen, und hatte zusätzlich zu einer verstärkten Lederweste unter seinem Hemd auch einen Dolch im Hosenbund stecken - obwohl er sehr gut wusste, dass ein Auftreten, das augenblickliche Gewaltbereitschaft demonstrierte, die beste Rüstung war. Das hatte er schon mit acht Jahren gelernt; zart und schlank, wie er war, war es eine Sache des Selbstschutzes gewesen. Diese Lektion hatte ihm stets gute Dienste erwiesen.
    Er warf zwei herumlungernden Gestalten, die ihn abschätzend betrachteten, einen feindseligen Blick zu und legte die Hand auf seinen Schwertknauf; ihre Augen wandten sich ab. Er hätte Tom Byrds Gesellschaft begrüßt, war jedoch der Meinung gewesen, dass Zeit wichtiger war als Sicherheit. Er hatte Byrd zu den anderen Weinhändlern geschickt, die seine Mutter ihm empfohlen hatte; möglicherweise hatte er ja noch weitere Namen mitgebracht, denen man nachspüren musste.
    Es war nur ein kleiner Fortschritt bei seiner Aufgabe, die Affären des Joseph Trevelyan zu entwirren, doch momentan bedeutete jede Art von Information, die einen direkten und unzweideutigen Eindruck machte, eine Erleichterung. Er war inzwischen felsenfest entschlossen, auf keinen Fall zuzulassen, dass Trevelyan Olivia heiratete - blieb noch, einen Weg zu

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