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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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froh, dass Ihr noch am Leben seid, Mylord, aber ich muss schon sagen, dass Ihr ein Mann seid, der nicht gut mit seinen Kleidern umgeht«, sagte Byrd vorwurfsvoll. »Und dann auch noch Eure beste Uniform! Zumindest war sie das«, fügte er hinzu und warf einen kritischen Blick auf einen kaum sichtbaren Fleck an der Vorderseite der Weste, bevor er sie hochhielt, damit Grey mit den Armen hineinschlüpfen konnte.
    Grey, der keine Energie zu verschwenden hatte, sagte nichts, bis sie in von Namtzens Kutsche die Straße entlangratterten. Auch der Hannoveraner trug seine beste Uniform, und er hatte den Helm mit dem Federbusch mitgenommen, der neben ihm auf der Sitzbank lag. Außerdem hatte er eine große Porzellanschüssel mit rohen Eiern dabei, die er sich sorgsam auf die Knie stellte.
    »Was -?« Grey wies kopfnickend auf die Eier, denn er war zu schwach, um genauer nachzufragen.
    »Der Arzt sagt, Ihr müsst Eiklar essen, häufig und in großen Mengen«, erklärte der Hannoveraner sachlich. »Es ist das Gegenmittel für das Quecksilbersulfid. Und Ihr dürft zwei Tage lang weder Wasser noch Wein trinken, nur Milch. Hier.« Mit einer Geschicklichkeit, die angesichts der schwankenden Kutsche bewundernswert war, nahm er ein Ei aus der Schüssel, schlug es am Rand der Schüssel entzwei und ließ das Weiße in einen kleinen
Zinnbecher gleiten. Diesen reichte er Grey, bevor er - ganz der Knauser - den übrig gebliebenen Dotter schlürfte und die Bruchstücke der Eierschale aus dem Fenster warf.
    Das Zinn fühlte sich kühl in seiner Hand an, doch Grey betrachtete das Eiklar mit deutlichem Mangel an Begeisterung. Tom Byrd funkelte ihn vom gegenüberliegenden Sitz her an.
    »Das trinkt Ihr«, sagte er in drohendem Tonfall. »Mylord.«
    Grey funkelte zurück, gehorchte jedoch widerstrebend. Es fühlte sich etwas unangenehm an, doch er stellte erleichtert fest, dass die Übelkeit offenbar endgültig vorüber war.
    »Wie lange -?«, fragte er und sah aus dem Fenster. Es war Donnerstag spätnachmittags gewesen; jetzt war es Vormittag - doch welchen Tages?
    »Es ist Freitag«, sagte von Namtzen.
    Grey entspannte sich ein wenig, als er das hörte. Er hatte jedes Gespür für Zeit verloren und war erleichtert über die Entdeckung, dass sein Erlebnis doch nicht die Ewigkeit gedauert hatte, die er im Gefühl gehabt hatte. Trevelyan würde Zeit gehabt haben, die Flucht zu ergreifen, vielleicht aber nicht so viel, um endgültig zu entkommen.
    Von Namtzen hustete taktvoll.
    »Eventuell ziemt es sich nicht, dass ich danach frage - wenn ja, müsst Ihr mir vergeben -, doch wenn wir Herrn Trevelyan in Kürze begegnen, wäre es womöglich gut zu wissen, warum er versucht hat, Euch umzubringen.«
    »Ich weiß nicht, ob er vorhatte, mich umzubringen«, sagte Grey und nahm den nächsten Becher Eiweiß mit
einer schwachen Grimasse des Abscheus entgegen. »Es ist möglich, dass er mich nur eine Zeit lang außer Gefecht setzen wollte, um Zeit zur Flucht zu gewinnen.«
    Von Namtzen nickte, obwohl sich die Stirn über seinen dichten Augenbrauen in Falten zog.
    »Hoffen wir es«, sagte er. »Doch wenn es so ist, hat er nicht sehr gut geschätzt. Wenn Ihr glaubt, dass er fliehen will, wird er dann noch in seinem Haus sein?«
    »Wahrscheinlich nicht.« Grey schloss die Augen und versuchte zu denken. Es war schwierig; die Übelkeit war zwar vorbei, doch das Schwindelgefühl kehrte in unregelmäßigen Abständen zurück. Er fühlte sich, als sei sein Gehirn ein Ei, das jemand fallen gelassen hatte - zerbrechlich und breiig. » Tanz, tanz, Quieselchen, dann schenk ich dir ein Ei«, murmelte er. » Nein, sagt das Quieselchen, ich tanz auch nicht für zwei.«
    »Oh?«, sagte von Namtzen höflich. »Ganz Eurer Meinung, Major.«
    Wenn Trevelyan vorgehabt hatte , ihn umzubringen, war es möglich, dass der Mann noch zu Hause war; denn wenn Grey tot war, hatte er hinreichend Spielraum, um seine Plänen zu verfolgen - wie auch immer diese aussahen. Doch wenn nicht, oder wenn er sich nicht sicher war, ob das Quecksilbersulfid eine tödliche Wirkung haben würde, war es möglich, dass er sogleich geflohen war. In welchem Falle -
    Grey öffnete die Augen und richtete sich auf.
    »Sagt dem Kutscher, er soll zum Mecklenburgh Square fahren«, sagte er drängend. »Bitte.«
    Von Namtzen stellte die Kursänderung nicht infrage, sondern steckte den Kopf aus dem Fenster und rief dem
Kutscher etwas auf Deutsch zu. Die schwere Kutsche schwankte, als sie langsamer wurde und dann

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