Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman
mir.« Er beugte sich über den Tisch und sah Grey gebannt an. »Ein solch plötzlicher Bruch muss unweigerlich zu einem Skandal führen - das wisst Ihr doch sicher auch?«
So war es, doch er verzichtete darauf zu nicken und sah
Trevelyan einfach nur reglos an. Dieser ignorierte das Ausbleiben einer Antwort und fuhr jetzt eiliger fort.
»Nun denn. Wenn Ihr davon überzeugt seid, dass Eure Handlungsweise ratsam ist, dann kann ich Euch eindeutig nicht davon abbringen. Doch könnt Ihr mir ein wenig Zeit lassen, um mir einen sinnvollen Grund für die Auflösung der Verlobung einfallen zu lassen? Etwas, das keinen der Beteiligten in Misskredit bringt?«
Grey holte Luft und spürte, wie sich etwas wie Erleichterung in ihm regte. Dies war die Lösung, auf die er gehofft hatte, seit er die Wunde auf Trevelyans Glied gesehen hatte. Er begriff, dass die Situation inzwischen mehr Facetten hatte, als er je gedacht hätte, und eine solche Lösung würde die meisten davon unberührt lassen. Doch Olivia würde in Sicherheit sein.
Trevelyan spürte, dass er in seiner Härte nachließ, und nutzte seinen Vorteil.
»Ihr wisst, dass es bei der bloßen Ankündigung einer Trennung Gerede geben wird«, sagte er mit aller Überzeugungskraft. »Es muss öffentlich ein überzeugender Grund genannt werden, um dies zu verhindern.«
Der Mann hatte mit Sicherheit einen Hintergedanken; vielleicht hatte er vor, ins Ausland zu fliehen. Doch dann spürte Grey erneut die Vibrationen unter seinen Füßen, das Rumpeln rollender Weinfässer und hochgehievter Kisten, die gedämpften Rufe der Männer unten im Lagerhaus. Würde ein Mann, der so etwas besaß, einfach so seine Interessen vergessen, nur um einer Anschuldigung aus dem Weg zu gehen?
Wahrscheinlich nicht; sicher hatte er eher vor, die Gnadenfrist zu benutzen, um seine Spuren vollständig zu verwischen
oder sich gefährlicher Komplikationen wie etwa der Scanlons zu entledigen. Wenn er das nicht schon getan hatte, dachte Grey plötzlich.
Doch es gab keinen guten Grund, ihm eine solche Bitte abzuschlagen. Und er konnte Magruder und Quarry auf der Stelle alarmieren - und den Mann beschatten lassen.
»Nun gut. Ihr habt drei Tage.«
Trevelyan holte Luft, als wollte er protestieren, doch dann nickte er und nahm an.
»Wie Ihr es sagt. Ich danke Euch.« Er ergriff den Krug und schenkte noch mehr Sherry ein, den er ein wenig schwenkte. »Hier - lasst uns auf unsere Abmachung trinken.«
Grey hatte kein Bedürfnis, noch länger bei dem Mann zu verweilen, und trank nicht mehr als einen symbolischen Schluck, bevor er den Becher fortschob und sich erhob. Er verabschiedete sich, wandte sich jedoch an der Tür kurz zurück. Trevelyan sah ihm nach, und seine Augen hätten ein Loch ins Tor der Hölle gebrannt.
15
Des einen Gift
Falls Hauptmann von Namtzen überrascht war, Grey und seinen Kammerdiener zu sehen, so ließ er sich nichts davon anmerken.
»Major Grey! Was für eine große Freude, Euch wieder zu sehen! Bitte, nehmt Ihr ein Glas Wein - etwas Gebäck?« Der hünenhafte Hannoveraner ergriff ihn strahlend an Hand und Unterarm und hatte Tom in die Küche geschickt, Grey in den Salon gesetzt und eine Erfrischung vor ihn hinstellen lassen, bevor er höflich verneinen konnte, geschweige denn den Grund seines Besuchs zu erklären. Als ihm dies jedoch schließlich gelungen war, war der Hauptmann die Hilfsbereitschaft in Person.
»Aber gewiss doch, gewiss! Zeigt mir diese Liste.«
Er nahm das Papier von Grey entgegen und ging damit zum Fenster, um es genau zu betrachten. Die Zeit für den Nachmittagstee war schon lange vorbei, doch so kurz vor dem Mittsommer strömte noch Spätnachmittagslicht herein, das von Namtzen mit einem Strahlenkranz umgab wie einen Heiligen in einem mittelalterlichen Gemälde.
Und er sah auch so aus wie einer dieser deutschen Heiligen, dachte Grey ein wenig geistesabwesend, während er
die klaren, asketischen Linien im Gesicht des Mannes bewunderte, seine breite Stirn und die großen, ruhigen Augen. Sein Mund war nicht besonders sinnlich, doch die Fältchen rechts und links zeugten von Humor.
»Ich kenne diese Namen, ja. Was genau möchtet Ihr denn wissen?«
»Alles, was Ihr mir sagen könnt.« Müdigkeit zerrte an ihm, doch Grey erhob sich und trat neben den Hauptmann, um einen Blick auf die Liste zu werfen. »Das Einzige, was ich über diese Leute weiß, ist, dass sie einen bestimmten Wein gekauft habe. Ich kann nicht genau sagen, worin die Verbindung besteht, doch
Weitere Kostenlose Bücher