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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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können,
wären da nicht Sams Blicke gewesen. Er sah mich beständig an, als würde ich gleich wieder irgendetwas Verrücktes tun.
    Nachdem wir eine Brücke überquert hatten und die Schatten in der sinkenden Sonne immer länger wurden, sagte Sam: »Ich schätze, ich würde anders leben.«
    Es dauerte eine Sekunde, bis ich begriff, dass er meine Frage beantwortete. »Wie?« Mir war es lieber, wenn ich ihn in Verlegenheit bringen konnte, als umgekehrt.
    »Wenn ich wüsste, dass mir nicht mehr viel Zeit bliebe, würde ich alles viel schneller erledigen. Mehr Orte besuchen, meine verschiedenen Projekte beenden. Ich würde keine Zeit mit Tagträumen verschwenden oder etwas Neues anfangen. Siebzig Jahre sind nicht besonders viel.«
    Mir kamen siebzig Jahre wie eine Ewigkeit vor. Ich konnte mir nicht vorstellen, siebzig Jahre alt zu sein. »Aber das ist keine Angst.«
    »Ich hätte Angst vor dem, was danach passieren würde. Wohin würde ich gehen? Was würde ich tun? Ich möchte nicht aufhören zu existieren.« Er blieb einfach auf dem Weg stehen, mit dem Rücken zu einer Lichtung und einem von einem Eisenzaun umgebenen Friedhof. Er starrte mich an, als sei da etwas in seinem Gesicht, das ich lesen sollte, aber für mich sah er nur müde aus. »Das ist wahrscheinlich das Beängstigendste, was ich mir vorstellen kann.«
    Meine Kapuze glitt zurück, als ich von einem Fuß auf den anderen trat, das Gesicht noch immer ihm zugewandt. »Zumindest brauchst du dir darüber keine Sorgen zu machen.« Ich zitterte vor Kälte und bei dem Gedanken daran, nur ein Leben zu haben. Die Sylphenverbrennung auf meiner Wange schmerzte.
    Eine nachdenkliche Falte erschien zwischen seinen Brauen. Er wollte gerade etwas sagen, als ein Schatten auf der Lichtung meine Aufmerksamkeit erregte.

    Ich trat zurück, das Wort wie eine Lawine. »Sylphe.«
    Hatte er mich hergebracht, um mich an sie zu verfüttern?
    »Was?« Verwirrung lag in seiner Stimme.
    Für ihn also auch eine Überraschung. Na gut.
    Ich streifte die Fäustlinge ab und zog das Sylphenei aus der Manteltasche. Ich kam mir vor wie ein Mädchen aus Eis, als ich mich an Sam vorbei auf die Lichtung schob. »Beweg dich.« Ich würde Rache nehmen für das Mal, das einer von ihnen letzte Nacht auf meiner Wange hinterlassen hatte.
    Die Sylphe stöhnte, ein Schatten, der doppelt so groß war wie ich und der vor all dem Weiß umso schwärzer wirkte. Dampf zischte unter ihr, wo ihr Feuer den Schnee geschmolzen hatte. Ich drehte das Sylphenei und stieß es dem Schatten entgegen.
    »Halt!«, rief Sam in dem Moment, als Hufe auf den Boden schlugen und eine Schattenranke aus der Sylphe schoss. Das Ei flog mir aus den Händen, und ich schrie vor Schmerz auf, als das Feuer meine Finger traf. Ich stolperte zurück, als die Sylphe wie die glühende Nacht über mir aufragte.
    Ehe ich mich’s versah, war ich auf dem Boden, und Sam rollte mit mir von der Sylphe fort. Schließlich richtete ich mich auf und hob meine roten, sich abschälenden Hände.
    Bald würde ich sterben.
    »Pass auf!« Sam schubste mich weg, als die Sylphe erneut mit einem Kreischen angriff.
    Ich fing mich, doch ich schwankte unter einem Schmerz, der zu stark war, um ihn zu verstehen. Dann war ich mit einem Ruck wieder in der Realität, als Sam etwas rief.
    »Lauf hinter den Zaun!« Er kroch der Sylphe aus dem Weg.
    Eisen. Okay. Ich rannte auf den Friedhof zu, aber Sam war noch immer bei den schneebedeckten Bäumen. Er hatte mich gerettet, und ich konnte ihn nicht einfach …

    Die Sylphe wurde dicker, dunkler als Mitternacht, und ein riesiger, drachenähnlicher Kopf schob sich aus ihrer Seite, als wolle er aus einer Blase ausbrechen. Er schnappte nach Sam, und Sams Miene wurde ausdruckslos. Als wäre er woanders. In einer anderen Zeit, so wie ich mich gefühlt hatte, als ich vergangene Nacht den See wiedergesehen hatte.
    Nein, ich musste ihm helfen. Meine neuen Sylphenverbrennungen würden mich ohnehin töten.
    Ich suchte im dampfenden Schnee nach dem Sylphenei und hob es schnell auf, als ich es schließlich fand. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Sam zu sich selbst und in die Welt zurückkehrte und anfing, die Sylphe mit Schneebällen zu bombardieren. Der Drachenkopf verschwand, aber die Schneebälle schmolzen innerhalb von Sekunden, sobald sie durch den Schatten hindurchgeflogen waren.
    »Ana!«
    Schattenseile zwangen Sam, auszuweichen und sich zu ducken. Die Lichtung stank nach Asche. Die Sylphe griff Sam von Neuem an und trieb ihn

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