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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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als wäre ich das Kostbarste auf der Welt. Als wäre ich jemand anderer.
    Ich blinzelte und versuchte festzustellen, wo ich in dem Musikstück war. Meine Hände hatten ohne mich gespielt, aber jetzt, da ich wieder aufpasste, konnte ich mich nicht mehr daran erinnern, wo ich war. Ich schaute auf den Schluss – die Coda –, gerade als ich beim letzten Akkord war. Hoffentlich hatte ich es nicht zu schlimm vermasselt. Nur weil er nichts sagte, hieß das nicht, dass er nicht auf jede Note achtete.
    Ein Vorspiel war das Nächste auf dem Musikstapel. Es war eine seiner jüngeren Kompositionen, erst hundert Jahre alt. Es war bisher auch mein Lieblingsstück, denn es hatte durchgehend eine heitere Melodie, selbst die ernsten Teile. Wie ein privater Scherz.
    Sam hätte unten sein müssen, als ich das Ende des Vorspiels erreichte – ich traf sogar eine Note, die ich sonst immer verfehlte –, aber als ich meine Hände in den fingerlosen Handschuhen auf die Knie fallen ließ, war er nicht da. Es war ein anspruchsvolles Vorspiel, mein Erfolg hätte ihn nach unten locken sollen. Ich würde noch ein weiteres Stück ausprobieren, dann würde ich nach oben gehen, um ihn auf die Klavierbank zu zerren.
    Er wirkte nur bei Musik normal. Auch wenn Sine gesagt hatte, dass Sam es schon allein in den Griff kriegen würde – ich wollte ihm helfen; wenn also Musik das Einzige war, was ihn jetzt glücklich machte, würde ich etwas Neues ausprobieren.
    Da war Musik in meinem Kopf, Melodien, bei denen ich zitternd einschlief. Nicht Sams Musik und nicht die von jemand anderem. Meine. Ich hatte niemandem von der Musik erzählt, die sich in mir regte, aber es schien richtig zu sein, dass Sam der Erste sein sollte, der davon erfuhr.

    Bisher hatte ich die Melodie immer nur gesummt, und immer nur dann, wenn ich alleine war. Und wenn niemand hinschaute, hatte ich auf einem stummen und unsichtbaren Klavier auf meinem Schoß oder auf einem Tisch oder meinem Schreibtisch in meinem Zimmer gespielt.
    Hier, an dem richtigen Klavier, die vergilbten Elfenbeintasten fest unter meinen Fingerspitzen, war der Druck größer, dass es so perfekt klang wie in meinem Kopf.
    Leise Klänge kamen lang und rund, tief und geheimnisvoll. Hohe Klänge sangen wie Sylphen. Wenn ich ehrlich war, war es die Musik meiner Ängste. Schatten aus Feuer, Ertrinken in einem See und Tod ohne Wiedergeburt. Diese Ängste der Musik zu überlassen – das half.
    »Bitte, mach, dass es Sam hilft«, flüsterte ich unter einem Arpeggio. »Bitte mach, dass er es mag.«
    Ich spielte vorsichtig, konzentriert auf jede Note und die Art, wie sie im Wohnzimmer widerhallte. Die Musik außerhalb meines Kopfes zu hören machte sie real. Massiv. Fühlte Sam sich jedes Mal so, wenn er etwas Neues schrieb?
    Die letzte Note verklang. Immer noch kein Sam.
    Vielleicht fand er es furchtbar.
    Ich streifte meine fingerlosen Handschuhe ab und legte sie auf die Bank. Oben war alles still. Kein Wasser gurgelte durch Leitungen, keine Kleider raschelten, als könne er nichts zum Anziehen finden. Und als ich an seine Tür klopfte, bekam ich keine Antwort. Auch nicht beim zweiten oder dritten Versuch. Ich ging hinein.
    Sam saß auf dem Boden und starrte mit leerem Blick an die Wand, regungslos, beinahe ohne zu atmen. Schweiß rann ihm übers Gesicht, aber er wischte ihn nicht weg.
    Ich eilte hinein und stieß mir das Knie auf dem Boden an, als ich mich vor ihn hockte. »Sam.«

    Nichts.
    »Sam!« Ich schüttelte ihn an den Schultern, sagte wieder und wieder seinen Namen, aber er schien irgendwo anders gefangen zu sein. Irgend wann anders, genau wie vor seinem Friedhof, als die Sylphe einen Drachenkopf gebildet hatte.
    Drachen. Das war seine Angst.
    »Sam, es ist gut.« Ich legte die Hände auf seine Wangen und beugte mich vor, bis sein Duft mich erfüllte. »Bitte. Du bist in Sicherheit.«
    Er blinzelte, und seine Augen sahen mich an. Verwirrung für einen Moment, dann Wiedererkennen. »Ana«, sagte er rau. »Was ist passiert?«
    Als ob ich das wüsste. »Du hast einfach an die Wand gestarrt, als ich hereinkam.« Ich strich ihm das Haar aus dem Gesicht und flüsterte: »Ich dachte, du wärst tot.«
    Er schloss die Augen und schmiegte sich in meine Berührung, und sein Gesichtsausdruck verriet Gefühle, für die ich keinen Namen hatte. »Ana.« Mein Name rutschte ihm heraus, als hätte er ihn nicht sagen wollen.
    »Du bist in Sicherheit.« Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte seine Ängste

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