Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
Tagebücher bis wenige Jahre vor meiner Geburt im dreihundertdreiunddreißigsten Jahr der Lieder an. Damit stammte sein letztes Tagebuch aus dem dreihundertneunundzwanzigsten Jahr der Sterne. Er hatte es
wahrscheinlich fertig gestellt und zum Archivieren zurückgelassen und sein aktuelles Tagebuch mitgenommen.
Trotzdem konnte es nützlich sein.
Ich las, bis die Stufen knarrten und Sine sich neben mich setzte. »Irgendetwas gefunden?«
»Es gibt doch nichts Schöneres, als zu lesen, wie gleichgültig es den eigenen Eltern war, ob der andere existierte.« Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Der Rat hat ihnen die Genehmigung erteilt, ein Kind zu haben, also fingen sie an, es zu planen. Anscheinend hat Menehem alles berechnet, denn das war Jahre vor meiner Geburt.«
Sine schnaubte. »Ja, das sieht ihm ähnlich.«
»Jedenfalls, er scheint mehr Interesse an einem Arbeitsprojekt gehabt zu haben, aber darüber gibt es keine Details. Ich werde wohl in seine wissenschaftlichen Journale schauen müssen.« Ich zuckte die Achseln und versuchte, so zu tun, als hätte ich nicht mehr erwartet. »Was ist mit dir?«
»Viele von Lis persönlichen Tagebüchern sind verschwunden, aber wenn du Menehems in der Datenbank gefunden hast, wirst du ihre wahrscheinlich auch finden.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Wenn jemand versucht hätte, mich daran zu hindern, Nachforschungen über meine Herkunft anzustellen, wäre er gründlicher vorgegangen. Aber wenn jemand nicht versuchte, mich aufzuhalten, dann stellte er Nachforschungen über mich an.
Das war ein beunruhigender Gedanke. Es wussten ohnehin schon alle anderen mehr über mich als ich selbst.
»Du meine Güte, es ist schon spät.« Sine schaute verstohlen auf die Uhr. »Ich sollte besser los.«
Ich brachte so etwas Ähnliches wie ein Lachen zu Stande. »Sam könnte von dir noch einiges lernen, was Subtilität angeht.«
»Oh, ich weiß. Denkst du nicht, ich hätte es versucht? Aber ich fürchte, dass ich dabei zu subtil vorgehe.« Sie zwinkerte mir zu und lächelte. »Wir können diese Nachforschungen morgen weiterführen, wenn du möchtest. Es ist mal etwas anderes nach der endlosen Philosophie.«
»Das sehe ich auch so. Danke.« Ich schaltete die Geräte aus, und wir gingen die Treppe hinunter. Ehe ich den Mut verlor, bemerkte ich: »Sagen wir, ich hätte einen Freund, der in letzter Zeit nicht gut schläft.«
»Hm. Ich werde so tun, als wüsste ich nicht, dass du von Sam sprichst. Fahr fort.«
»Ich mache mir Sorgen um ihn. Die einzigen Zeiten, an denen er er selbst zu sein scheint, sind Musikstunden und Übungen. Die halbe Nacht stöhnt er im Schlaf.« Einmal war ich aufgestanden, um nach ihm zu sehen, aber sobald ich an seiner Tür stehen geblieben war, ging das Licht an, und er war ins Bad geschlurft. Ich hatte gewartet, aber er war nicht wieder aufgetaucht.
Zumindest hatte er aufgehört, sich jede Nacht hinauszuschleichen, aber ich hatte den Verdacht, dass es mehr damit zu tun hatte, wie elend er sich fühlte, und nicht … mit dem Grund, warum er sich überhaupt hinausgeschlichen hatte.
Sine legte den Kopf schräg, als wir aus der Bibliothek traten. »Und du willst wissen, wie du es in Ordnung bringen kannst?«
»Ich will«, ich schlang mir den Schal um den Hals und schaute stirnrunzelnd in die Dunkelheit, »irgendetwas tun. Ihm helfen. Er hat mir geholfen.«
Ihr Lächeln wurde ein wenig traurig. »Er wird es irgendwann in den Griff bekommen. Konzentrier dich auf deine Studien. Er würde nicht wollen, dass du so abgelenkt bist, vor allem, da dein erster Fortschrittsbericht nächste Woche ansteht.«
Fortschrittsberichte waren das Letzte, worum ich mir Sorgen machen wollte. »Was ist mit ihm passiert? Etwas mit Drachen?«
»Ana, wenn du ihn nicht fragen willst, schau dir seine Tagebücher an. Lies, wie sie aufhören.« Ihr Ton blieb ausdruckslos, eine andere Warnung würde ich von ihr nicht bekommen. Sie versuchte immer, nett zu sein, aber jetzt hatte ich sie aus der Fassung gebracht.
Ich drehte meine Taschenlampe, bis ein Strahl die Pflastersteine erhellte, während die Bibliothekstür zufiel. »Ich werde ihm helfen. Irgendwie. Jeder, der denkt, ein Fortschrittsbericht sei wichtiger, der kann mir mal die Schuhsohle lecken. Nachdem ich damit dran war, den Schweinestall auszumisten.« Sine verzog das Gesicht. »Das lernst du von Stef, nicht wahr?«
»Ich habe mich den Forderungen des Rates gefügt.« Mein Atem
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