Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
hinabstieg.
Ein schnelles Lied spielte, und die Leute hüpften und sprangen umher. Irgendjemand griff nach mir und wirbelte mich herum, packte mich von Neuem. Raue Hände drückten meine und zogen mich durch das Gedränge. Finger bohrten sich in meine Seiten und rissen mich zu einem anderen Tänzer fort.
Ein Wolf. Ein Habicht. Eine Eidechse. Schon bald umringten sie mich. Die rasende Musik verschwamm in meinen Ohren, die Welt verwandelte sich in einen dunklen und in einen hellen Fleck auf meinen Augen.
Sie warfen mich herum wie einen Schmetterling in einem Sturm. Ich wirbelte von Hand zu Hand, so dass mir das Haar in die Augen peitschte. Bänder und Blumen flatterten, meine Maske drohte wegzufliegen. Ich drückte sie auf meine Wangen, verloren und schwindelig vor Energie und Furcht.
Da waren so viele Fremde. So viel Lärm.
Jemand trat mir auf die Füße, und meine Arme schmerzten, wo zu viele Hände nach mir langten. Ich zitterte am ganzen Leib, alles tat weh. Als ich zu fliehen versuchte, packte der Wolf mich erneut und ignorierte mein Schreien. Die Musik
war laut, und andere riefen vor Freude, daher ging meine Stimme in dem Getöse unter.
Ich stieß dem Wolf den Ellbogen in die Brust und trat die Eidechse gegen das Schienbein, dann versuchte ich wieder wegzulaufen. Ein Schwan hielt mich auf, doch bevor sie mich wieder in ihrem Kreis einfangen konnten, stellte sich ein neuer Tänzer zwischen die anderen und mich.
Mein Herz raste, aber der Mann strich mir über die Wange und warf den anderen einen wilden Blick zu, als er mich in Sicherheit zog. Flügel spannten sich, als er mich fortdrehte, bevor ich einen Blick auf seine Maske werfen konnte. Ich erhaschte nur ein Aufblitzen von Grau und Schwarz und einen weißen Streifen, dann stand ich mit dem Rücken an seiner Brust. Sein Arm um meine Taille hinderte mich daran, mich zu ihm umzudrehen, aber sein Griff war sanft.
Seine Finger fuhren mir über die Wange, den Hals hinunter. Die ganze Maskerade breitete sich vor mir aus, doch ich konzentrierte mich ganz auf den Mann hinter mir. Hände bewegten sich zu meinen Hüften und hielten mich fest, während wir uns drehten, meine Füße hoben vom Boden ab, aber selbst als ich dachte, die Flügel würden mich vielleicht im Wind tragen, hielt der Mann mich fest.
Mein neuer Fänger oder Retter führte uns an den Rand der Menge. Er hielt mich so dicht bei sich, dass niemand zwischen uns kommen konnte. Seine Hände blieben auf meinen Hüften und meinem Bauch. Die Musik wurde langsamer und tiefer, und seine Finger gruben sich in seidenbedecktes Fleisch. Ich konnte nicht atmen.
Der ganze Tanz veränderte sich. Eine verführerische Schwere verdrängte die Furcht und die Ausgelassenheit davor. Mein neuer Partner strich mir das Kleid über dem Bauch, über den Beinen glatt. Als ich den Kopf zurück gegen seine Schulter
lehnte, spürte ich seinen warmen Atem am Hals, als er mich küsste.
Ich versteifte mich und schnappte nach Luft, und fast wäre ich weggerannt. Aber sein Griff wurde fester und sandte irgendwie eine Entschuldigung aus, und ich erinnerte mich, dass er mir nicht wehgetan hatte, dass er mich nur vor den anderen gerettet hatte. Ich entspannte mich wieder und schloss die Augen. Wir hatten das schlimmste Gedränge hinter uns gelassen, und ich verließ mich auf ihn, dass wir niemanden anrempelten.
Musik erfüllte den Raum, der uns umgab, die Luft zwischen uns. Streicher klangen lang und warm wie Gold, Flöten wie Silber und Klarinetten wie Wälder.
Dies war beinahe unwirklich – wie ein Traum, als ich den Kopf wieder zurücklegte, sein Mund schwebte dicht über meiner Haut, und ich brachte ein schwaches Nicken zu Stande. Sein Zögern dauerte ein ganzes Leben an, aber schließlich streiften seine Lippen mein Ohr.
Ich schmiegte mich tiefer in seine Umarmung und legte meine Hände auf seine, damit er mich nicht losließ. Ich hatte mein ganzes Leben lang darauf gewartet.
Ewigkeiten verstrichen zwischen Küssen den Hals hinab. Mit der freien Hand zeichnete er Muster auf meine Hüfte und mein Bein und wieder hinauf, um meine Flügel herum. Er berührte mein Gesicht und meine Haare, und aus seinem Zittern und seinem erneuten Versuch sprach eine deutliche Zurückhaltung.
Ein Walzer begann. Ihm stockte der Atem, als er meine Hand ergriff, mich von sich wegdrehte und wieder zu sich heranzog, so dass wir einander gegenüberstanden.
Seine Maske bedeckte die obere Hälfte seines Gesichtes. Kein Habicht oder Falke, trotz
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