Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
hinter uns.
»Da lang!«, rief Sam.
Wir bogen nach links in eine weitere baumgesäumte Straße ab. Ich packte sein Hemd, sobald wir um die Ecke waren, und zog ihn ins Gebüsch. Kiefernnadeln raschelten, und die plötzliche Bewegung musste einen Schmerz in seinem Arm verursacht haben, denn er fluchte, doch wir gingen hinter einem Strauch in Deckung und verhielten uns so still wie möglich.
Ich gab auf mein Messer und seine Verletzung Acht, legte die Arme um ihn und zog ihn an mich. Sein Herz schlug heftig unter meiner Hand, und sein Atem zischte in leisen Stößen. Ich streichelte seine Wange, während wir darauf warteten, dass unser Angreifer vorbeilief, doch die Straße blieb leer.
Meine Finger verkrampften sich um den Messergriff, als ich vor Angst und Adrenalin zu zittern begann. An Sams Ohr flüsterte ich: »Ich gehe nachsehen.«
»Nicht.« Er hielt mich fest. »Du wirst verletzt werden.«
»Du bist schon verletzt. Wir müssen uns in Sicherheit bringen.« Ich entschlüpfte seinem Griff. »Ich werde nur nachsehen, ob er weg ist.«
Er schüttelte den Kopf, versuchte jedoch nicht noch einmal, mich aufzuhalten.
Bevor ich ging, bog ich die Drähte meiner Flügel enger an
meinen Körper. Seide hing in Fetzen von den ruinierten Flügeln herab.
Ich schlich auf die Straße und spitzte die Ohren nach fremden Geräuschen, aber das Pochen meines eigenen Herzschlags lenkte mich ab. Ich konnte es auch nicht ignorieren, ebenso wenig wie das Rascheln immergrüner Zweige.
Holz knackte. Ich suchte nach der Quelle, aber Schatten überzogen die Straße wie Kohle. Ein Schatten bewegte sich, dunkler als die anderen.
Ich erstarrte, blöderweise nicht zu übersehen in meinem Seidenkleid und den zerfetzten Flügeln. Mondlicht fiel über die Straße, ich konnte es fast spüren, wie einen Atemzug auf der Haut, der nicht wärmer war als die Nacht. »Wer ist da?«
Hinter mir stieß Sam eine Reihe von Flüchen aus.
»Es schadet nichts zu fragen«, murmelte ich. »Sie haben bereits auf uns geschossen.«
Ich hätte nicht sprechen sollen. Ein Ziellicht kam aus dem Schatten, der sich bewegt hatte, und traf meinen linken Flügel. Draht schmolz. Ich jaulte auf und fing zu rennen an. Ein Krachen im Gebüsch sagte mir, dass Sam hinter mir herkam, doch als ich hinsah, trat eine andere Person aus dem Strauch.
Eine große Gestalt stürmte auf die Straße und holte mich mühelos ein. Ich versuchte, schneller zu laufen, erfolglos. Er packte meine Flügel und riss mich herum. Ich starrte auf eine weiße Maske, die sein ganzes Gesicht bedeckte.
Ich wollte in die Richtung fliehen, in der ich Sam zurückgelassen hatte, aber mein Angreifer packte mich am Arm und warf mich auf den Boden. Ein stechender Schmerz schoss mir durch den Ellbogen und das Bein; mein Messer, das ich natürlich vergessen hatte, rutschte weg. Etwas Warmes sickerte über meine Haut, als ich mich hochrappelte.
Er stieß mich erneut um.
Ich kroch auf mein Messer zu, das nur zwei Schritte entfernt lag. Bevor ich es erreichen konnte, hob mein Angreifer mich vom Boden und schleuderte mich in die andere Richtung. Ich schrie, als ich auf Stein aufschlug. Schwärze umfing mich, während ich mich auf den Rücken drehte und vor Schmerzen stöhnte.
Etwas Stumpfes traf mich an den Rippen. Sein Schuh. Ich stieß ein schwaches Uff aus, und Schritte entfernten sich. Vielleicht waren sie zu zweit, ich konnte jedoch nicht aufblicken, um nachzusehen. Mein ganzer Körper war taub und kalt und heiß von sich bildenden Blutergüssen.
Ich musste Sam finden. Meine Arme zitterten, als ich mich auf die Ellbogen stemmte. Schmerz flammte auf, wo die Haut abgeschürft war, aber ich brachte mich in eine sitzende Position, um ein weiteres Stechen zu vermeiden. »Sam?« Ich klang wie ein Frosch, als ich mich taumelnd erhob.
Das Messer war noch dort, wo ich es hatte fallen lassen. Ich stolperte und nahm es an mich für den Fall, dass unsere Angreifer zurückkehrten, dann schlurfte ich auf das Gebüsch zu. Mein ganzer Körper fühlte sich wie eine einzige Prellung an.
Sam lag flach auf dem toten Gras. Ich ließ mich auf die Knie fallen, steckte mein Messer in die Scheide und berührte ihn an der Kehle. Sein Puls schlug gleichmäßig unter meinen tastenden Fingern. »Wach auf.« Ich umfasste seine Wange, die Haut war kalt.
Er stöhnte und öffnete die Augen, schien aber nicht klar sehen zu können. »Jemand hat mich geschlagen.«
»Lass uns gehen. Sie könnten zurückkommen.«
»Bist du in
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