Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
Waschtisch und kniff die Augen fest zu. Etwas Warmes tropfte hinaus.
Er legte seinen gesunden Arm um mich. »Ich kann spüren, dass es dich gibt.« Als er mich an sich zog, weinte ich los. Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. »Ich kann mir nicht vorstellen, was jetzt in dir vorgeht.«
»Alles«, murmelte ich in sein Nachthemd. »In mir ist ein Gewitter, das alles herumwirbelt.«
Er küsste mich auf den Kopf und ließ mich nicht los.
»Kannst du nicht machen, dass es aufhört?« Mein Hals schmerzte, weil ich gegen neue Tränen ankämpfte. Ich hasste dies, hasste ihn ein bisschen, obwohl ich ihn so sehr wollte wie die Musik.
»Ich würde alles dafür geben, um die Dinge für dich in Ordnung zu bringen.« Er liebkoste meine Wange, meine Haare, meinen Rücken. Wo immer er mich berührte, kühlten sich die wütenden Feuer ab. Ich wünschte, er würde mein Herz berühren. »Aber ich kann nicht. Ich kann helfen, doch die harte Arbeit musst du selbst machen. Wenn du nicht spürst, dass es dich gibt, kann das niemand sonst für dich tun. Ich verspreche jedoch, dass du dich für mich immer ganz real angefühlt hast. Von dem Moment an, als ich dich von dem Felsen springen sah.«
»Manchmal komme ich mir immer noch so vor, als würde ich von dem Felsen springen.«
Er nickte und küsste mich abermals auf den Kopf. »Kann ich dir etwas sagen?«
Wenn er dies so stark empfand, hatte ich kaum eine Wahl. »Okay.«
»Komm aus dem Bad.« Er schob mich zur Tür. »Dadurch wird dein Gewitter nicht aufhören, aber vielleicht wird es helfen. Ein Beweis, dass es dich für mich gibt. Dass du mir wichtig bist.«
Ich sah auf und blickte forschend in sein hageres Gesicht, in seine Augen. Wie konnte ich wichtig sein? Ich war eine nachträgliche Idee, fünftausend Jahre zu spät. Ein Fehler, weil Ciana fort war. Ich war der Missklang am Ende eines sinfonischen Meisterwerks. Ich war der Pinselstrich, der das Gemälde ruinierte.
»Komm mit«, drängte er, und ich ließ mich von ihm zurück ins Schlafzimmer führen, wo er mir eine dicke, weiße Decke um die Schultern legte. Wir kuschelten uns in der oberen Ecke des Bettes zusammen. »Hast du es bequem?«, fragte er, als ich mich an ihn lehnte.
»Und du?« Wenn ich mich umdrehte, konnte ich aus dem Augenwinkel sein Gesicht sehen.
Er legte mir die Wange auf den Kopf. »Als ich in meinem letzten Leben nach Norden ging, suchte ich nach Inspiration. Ich hatte seit einer Generation nichts Neues geschrieben. Ich fühlte mich leer. Ich fand nichts, wie weit ich auch reiste. Ich starb einfach. Das war im Herbst des Jahres der Dunkelheit, dreihundertneunundzwanzig.«
Ich wartete.
»Für gewöhnlich dauert es mit der Reinkarnation einige Jahre, aber ich habe nur etwas mehr als ein Jahr gebraucht, um wiedergeboren zu werden.« Nach der Art, wie er es sagte, hätte ich verstehen sollen, was das bedeutete.
»Und?«
Er seufzte, doch sein Ton war unendlich geduldig. »Das war
das dreihundertunddreißigste Jahr der Lieder. Das war auch dein Geburtsjahr. Als wir uns achtzehn Jahre später begegneten, war das das erste Mal seit einer Generation, dass ich mich inspiriert fühlte und ich wieder Musik in mir spürte.«
Ich konnte mich nicht bewegen. Eine Million Gefühle stürmten auf mich ein – Scheu, Glück, Angst –, und was erwartete er jetzt von mir? Ich fühlte mich innerlich wund, zu viel Hin und Her heute, nicht genug … einfach nur Glück, wie es hätte sein sollen. Also bewegte ich mich nicht und sprach auch nicht, denn ich konnte es nicht.
Er wurde leiser, als wolle er Anflüge von Zögern verbergen. »Ich denke, ich bin gestorben, um mit dir wiedergeboren zu werden. Um dich in dem See zu finden. Ich habe meine Inspiration gefunden.«
»Aber dafür musstest du sterben.« Was für eine dumme Bemerkung. Mein Mund hasste mich.
Er drehte leicht den Kopf, so dass sein Flüstern mein Ohr streifte. »Wenn ich bei unserer Begegnung wie ein neunzig Jahre alter Mann ausgesehen hätte, hättest du dann mit mir zusammen sein wollen?«
Ich wollte in der Lage sein, Ja zu sagen, denn ich hatte ihn auf der Maskerade erkannt und auf allen Fotos und Videos aus anderen Leben, aber dies war der Sam, den ich küssen wollte. So viel ich auch für ihn empfand, ich konnte mir nicht vorstellen, mich zu einem Neunzigjährigen hingezogen zu fühlen, zumindest nicht, solange ich achtzehn war. Vielleicht, wenn ich ebenfalls neunzig war.
Er lachte leise. »Dachte ich mir. Ich hätte mir Sorgen gemacht,
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