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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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erkennen, die aneinandergedrängt im Schatten ein paar großer Bäume stehen. Allem Anschein nach sind darauf Plattformen verteilt.
    Hinter mir an den Zäunen stöhnen die Mudo, der Wind raschelt in den Blättern der Bäume. Grillen zirpen in der Hitze. Ich gehe langsam an einem alten Friedhof entlang, meine Füße folgen einem ausgetretenen Pfad, eher einer Furche im Boden.
    Nichts regt sich. Niemand ruft oder kommt angerannt. Das Dorf wirkt leer, und mich überkommt das schmerzliche Gefühl, dass wir wieder einmal in einer Sackgasse gelandet sind. Ich gehe noch ein Stück weiter, überlege, ob ich rufen soll. Dann bleibe ich vor den Überresten des verbrannten Gebäudes stehen. Es war offensichtlich riesig, eine alte, geborstene Glocke liegt zwischen geschwärzten Steinen und verkohltem Holz.
    Ich rutsche auf einem Brett aus, ein paar Steine fallen um und rollen leise über den Boden. Trotzdem halte ich den Atem an. Links von mir regt sich etwas. Ich drehe mich um, gehe in die Hocke, nehme mein Messer fest in die Hand.
    Ein großer schwarzer Hund, der in der Sonne gelegen hat, hebt neben einem der Grabsteine den Kopf aus dem Gras und mustert uns. Ich warte darauf, dass er anfängt zu bellen oder zu knurren, doch das tut er nicht. Stattdessen rappelt er sich hoch, sein Maul ist weiß gesprenkelt vom Alter. Langsam nähert er sich, träge mit dem Schwanz kreisend, und ich halte ihm die Hand hin. Er schnuppert und drückt die Nase an meine Finger.
    Erst jetzt lasse ich den Atem los, den ich angehalten hatte. Offenbar kennt er Menschen, offenbar kümmert man sich um ihn. Das heißt, dass hier im Dorf noch jemand leben muss. Mein Herz beginnt zu rasen. Der Hund gähnt, als ich ihm die Ohren kraule, sein Schwanz schlägt gegen meine Beine.
    Genau da kommen Catcher und Cira an der Pforte an, sie gehen auf mich zu. Bevor Catcher näher herankommen kann, gibt der Hund ein tiefes Knurren von sich.
    »Ist ja gut, mein Junge«, sagt Catcher. Er kniet sich hin und hält ihm die Hand hin.
    Der Hund stupst mich weg von Catcher und stellt sich zwischen uns, sein Nackenhaar sträubt sich, während er schnuppert. Diesen Wandel, diese spontane Abneigung gegen Catcher verstehe ich nicht. Plötzlich fängt der Hund an zu bellen, ein tiefes, lang gezogenes Heulen, das die Stille des Nachmittags erschüttert. Das Geräusch lässt mich erschaudern, und instinktiv schaue ich mich nach einem Versteck um, nach einem Schutz vor dem Hund.
    In der Ruine des alten Gebäudes regt sich etwas, ein Kieselstein rollt durch den Schutt. Ich höre Stimmen, mein Atem stockt, plötzlich ist mein Hals trocken. Neben mir zieht Elias sein Messer. Jemand bewegt sich durch die Schatten, Röcke rascheln um ihre Beine, während eine Frau durch die Trümmer auf uns zu kommt. Sie hält etwas Großes, Sperriges in den Armen, strauchelt und stolpert.
    Die Sonne bricht durch ein Loch im einstigen Dach des Gebäudes, und ich sehe ihr Gesicht, weiß gesträhntes schwarzes Haar. Die Fältchen um ihre Augen erinnern an ihr Lächeln. »Mutter«, sage ich mit tiefster Inbrunst. Ich könnte explodieren vor Freude, Tränen brennen mir in den Augen. Ihr Anblick allein gibt mir schon das Gefühl, dass jetzt alles gut wird.
    Sie schaut auf, und ihr Atem stockt, als sie mich im Eingang stehen sieht, wo das Gras um meine Waden weht und wogt. »Gabrielle.« Ich höre sie nicht, sehe aber, wie sich ihre Lippen bewegen – und den liebevollen Ausdruck auf ihrem Gesicht. Ich kann nur noch lächeln.
    Sie lässt das Buch fallen, das sie gehalten hat, es fällt auf einen Haufen Steine, dünnes, zartes Papier stiebt in die Luft und schwebt um sie herum wie Federn.
    Und dann rennt sie durch den Schutt, ich laufe auf sie zu, und endlich schließt sie mich in die Arme. Sie riecht immer noch nach Salz und Meer und dem Leuchtturm. Ich vergrabe mein Gesicht an ihrer Schulter, und sie zieht mich fester an sich heran. Ich kann ihr Herz hören. So fühlt sich Zuhause an und Sicherheit, Trost, Liebe und Erinnerungen.
    Ihre Hände liegen auf meinen Wangen, sie schiebt mich von sich, schaut mir lange ins Gesicht und prüft, ob mit mir auch alles in Ordnung ist. Ihre Augen strahlen, und ich spüre, wie mir die Tränen übers Gesicht laufen.
    »Mein Baby«, flüstert sie und drückt mich wieder fest an sich. Es fühlt sich so richtig an, in ihren Armen zu sein, so als wäre ich ein Kind, dessen Mama alles wieder heil machen kann.
    »Es tut mir so leid, ich hätte nicht …«, beginnt sie.
    »Ich

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