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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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weiß«, unterbreche ich sie. »Mir tut es auch leid. Ich liebe dich. Ich habe dich vermisst.« Ich habe so lange darauf gewartet, diese Worte auszusprechen und wiedergutzumachen, was ich gesagt habe, in der Nacht, bevor sie weggegangen ist.
    Zitternd holt sie Luft. Ich spüre, wie sich ein Lächeln in ihrem Gesicht ausbreitet, und ich möchte lachen, mir ist ganz schwindelig vor Erleichterung, wieder bei ihr zu sein.
    Etwas flattert mir ans Bein, und ich trete zurück, um es mir anzusehen: eine Seite aus dem Buch, das sie im Arm hatte, dünn wie die Schale einer Zwiebel und gelb. In der Mitte sind verblasste Worte gedruckt, die Ränder sind voll winzigem schwarzen Gekritzel. Mit zusammengekniffenen Augen versuche ich es zu entziffern, aber es ergibt keinen Sinn für mich.
    Die Schwesternschaft ist zusammengetreten. Wir haben über Isolation gesprochen. Darüber, das Dorf von allem abzuschneiden. In der Hoffnung, dass wir dadurch sicher sind vor den ständigen Angriffen derer, die nach einem Ort suchen, an dem sie die Rückkehr überleben können. Was wir letztendlich entscheiden, liegt in Gottes Hand, so wie unser Überleben immer in Seinen Händen gelegen hat.
    Ähnliche Seiten flattern überall herum, verfangen sich im Gras, bleiben im Schutt liegen, wehen auf den Zaun zu. Elias hält ein dickes Bündel Papier in den Händen, das er von den Grabsteinen aufgesammelt hat.
    In diesem Moment kommt noch jemand aus der Ruine des alten Gebäudes, den Kopf über ein paar staubige Flaschen gebeugt. »Mary, ich glaube, die hier könnten noch in Ordnung sein. Die Schwesternschaft hat nie etwas gesagt von …« Er schaut auf, als er aus der Dunkelheit der verfallenen Mauern ins Licht tritt. Die Augen mit der Hand gegen die Sonne abschirmend bleibt er stehen und erblickt mich.
    Mit offenem Mund schaut er zu meiner Mutter, weil er sich nicht erklären kann, was hier vorgeht.
    Meine Mutter nimmt meine Hand, sie lächelt wie die glücklichste Frau der Welt. Wie selten ich sie doch so uneingeschränkt glücklich gesehen habe, denke ich. Offensichtlich ist dieser Mann jemand, den sie gut kennt.
    »Harry«, sagt meine Mutter und drückt fest meine Hand. »Ich möchte dir meine Tochter Gabry vorstellen.«
    Er lächelt, dabei legt er den Kopf ein bisschen schräg, so als würden Fetzen eines Liedes herangeweht, das ihm irgendwie vertraut vorkommt. Durch den Schutt geht er auf mich zu, und ich versuche mich zu erinnern, ob meine Mutter seinen Namen je erwähnt hat – und ob ich ihn kennen sollte. Ich komme mir komisch vor, wie ich hier stehe, schmutzig von den vielen Tagen auf dem Pfad, durstig und hungrig.
    In diesem Moment höre ich ein Keuchen und drehe mich um. Elias steht dicht hinter mir. Sein Gesicht ist aschgrau, sein Mund offen. Die Papiere, die er hält, flattern ihm aus den Fingern.
    »Elias, was ist denn?«, frage ich.
    »Elias?« Harry spricht den Namen leise aus, vorsichtig, als könnte etwas zerbrechen, wenn er ihn zu laut sagt. Er blinzelt und dreht sich wieder zu mir um. Eine Frage liegt auf seinen Lippen, eine Spur des Wiedererkennens in den Augen.
    »Annah?«, fragt er. Seine Stimme ist nicht mehr als ein Flüstern. Diesen Namen kenne ich. So heißt Elias’ Schwester. Die, die er sucht, die, für die er sich den Rekrutern angeschlossen hat. Ich schüttele den Kopf.
    Aber Harry ist noch nicht fertig. »Abigail?«
    Alles in mir kommt zum Stillstand. Mein Herz schlägt nicht mehr. Meine Lungen atmen nicht mehr. Meine Ohren können nur noch eins hören: das Echo dieses Namens, den Harry ausgesprochen hat.
    Ich kenne diesen Namen. Wie dieser Mann ihn ausspricht, ist mir vertraut. Nach all diesen Jahren fällt es mir wieder ein – wie ein Schlaflied in einem Traum.
    Und dann bricht das Chaos los. Catcher will auf uns zu gehen, doch der Hund bellt wieder, mit gesträubtem Fell. Er knurrt einfach weiter, als Harry ein Kommando brüllt. Cira bricht zusammen und liegt würgend im Gras. Ich löse meine Hand aus der meiner Mutter. Sie will mich anfassen, ich weiche zurück.
    Hinter mir läuft Elias los, er sprintet auf das Dorf zu. Meine Mutter greift wieder nach mir, aber ich schüttele sie ab. »Hilf ihr«, rufe ich ihr zu und zeige auf Cira. »Sie ist verletzt und braucht deine Hilfe.«
    »Gabry …«, beginnt sie, aber ich renne schon hinter Elias her, die Fragen brennen Löcher in meine Erinnerungen.

35
    I ch will Elias rufen, aber das Laufen ist so anstrengend, dass ich kaum Luft bekomme. Er sprintet auf die Ansammlung

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