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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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Stille legt sich wieder über alles. Ob Catcher sie wohl gehört hat, ob er an seinem Fenster steht und beobachtet, wie sich dieser seltsame Zug durch die Straßen windet?
    Langsam krieche ich aus meinem Versteck, bleibe in den Schatten, schleiche mich um die nächste Ecke. Der Gesang erklingt weiterhin vor mir. Ich schaue mich um, versuche irgendetwas Vertrautes auszumachen, das mich zu Catcher führt, aber ich weiß, ich habe mich verirrt.
    Das Meer wiederzufinden wäre leicht, ich müsste nur auf demselben Weg, den ich gekommen bin, durch die Straßen gehen, die Achterbahn zu meiner Rechten liegen lassen. Aber ich bin noch nicht bereit, es wieder mit den Wellen aufzunehmen. Ich bin ein Risiko eingegangen, als ich hierhergekommen bin, um Catcher zu besuchen, und so schnell gebe ich nicht auf.
    In einem verfallenen Hauseingang bleibe ich stehen. Vor mir liegt eine riesige, leere Betonfläche, aus deren Rissen Büsche und kleine Bäume wuchern. Am anderen Ende dieser Fläche erhebt sich eine große Wand mit dicken steinernen Bögen. Im Mondschein kann ich ein rostiges Schild erkennen, das schief herunterhängt. Die Buchstaben sind verblasst, nur CHARLESBURG AMPHITHEATER ist gerade noch lesbar.
    Unter dem mittleren Bogen verschwindet der Zug der Sänger, alle in weißen Kutten mit geschorenen Köpfen, genau wie Elias. Ich kneife die Augen zusammen, bemühe mich, Einzelheiten auszumachen, doch es ist schwer, sie auf diese Entfernung bei so wenig Licht voneinander zu unterscheiden. Es überrascht mich, so viele Leute hier draußen in den Ruinen zu sehen, dass sie gar nicht weit weg von Vista herumziehen und ich nichts von ihnen gewusst habe.
    Wenn ich Elias unter ihnen finde, könnte er mich zu Catcher führen.
    Ich warte eine Weile, bis sie im Amphitheater verschwunden sind, bis die Nacht wieder Normalität angenommen hat. Die Zikaden zirpen, und die Laubfrösche quaken. Nervös fingere ich an meinem Messer herum. Ein paar Tropfen Wasser rinnen mir aus dem nassen Haar den Rücken hinunter.
    Ich muss nur über diese Betonfläche laufen und in einen der Bögen – nur den nächsten Schritt machen und dann noch einen. Ich zwinge mich, einen Fuß vor den anderen zu setzen, versuche, mich hinter den Zweigen der Bäume und den ausladenden Büschen zu verstecken.
    Jeden Herzschlag spüre ich überdeutlich, jeden donnernden Warnton, aber ich gehe weiter, langsam. Als ich näher herankomme, kann ich den Gesang wieder hören, einen Singsang tiefer Stimmen.
    Ich berühre die Steine eines Bogens mit den Fingern, nicht desjenigen, durch den sie hindurchgegangen sind, sondern eines anderen, ein Stück weiter. Unter ihm schleiche ich hindurch und drücke mich in seinen Schatten.
    Hinter dem Bogen ist etwas, das ich noch nie gesehen habe, eine lang abfallende Schräge, als hätte jemand vor langer Zeit hier den Boden ausgehoben. In die Schräge sind Absätze geschlagen worden, auf denen hier und da verfallene, von Unkraut überwucherte Bänke stehen. In der Mitte dieser Arena befindet sich eine Bühne, die von einer Kuppel ohne Wände bedeckt ist.
    Ich kauere mich an den Bogen und spüre die Wärme der Steine durch mein Hemd. Die Kuttenträger singen immer noch, doch dann hallt ein anderes Geräusch von den grasbewachsenen Wänden der Arena wider: Stöhnen.

16
    I ch springe auf, umklammere das Messer und bin bereit wegzurennen, als mir auffällt, dass niemand sonst reagiert. Auf ihrem Weg die verfallenen Stufen hinunter setzen die Leute ihren Singsang fort.
    Angst schnürt meinen Magen zu. Warum rennen sie nicht? Warum greifen sie nicht nach ihren Waffen?
    Der Zug der Leute teilt sich am Fuß der Schräge, sie klettern auf die Bühne – und da sehe ich die Mudo, die sich im Schatten der Kuppel drängen.
    Ich reiße den Kopf zurück, der mit einem dumpfen Geräusch gegen den Stein schlägt. Zuerst keuche ich vor Schmerz, dann presse ich mir die Hand auf den Mund. Mein Atem geht unregelmäßig, aber ich habe schreckliche Angst, mich zu bewegen, fürchte, jemand könnte mich bemerken. Ich verkrieche mich so tief wie möglich in die Schatten und verharre dort wie erstarrt.
    Dann lasse ich den Blick über die Szenerie schweifen. Niemand von den Leuten scheint sich um die Mudo zu kümmern, auf die sie zu gehen. Und da merke ich, dass die Mudo nicht vorwärtskommen – ihre Finger schlagen in die Luft, aber sie hängen alle auf einer Stelle fest.
    Irgendetwas ist schrecklich anders an ihnen, an ihrem Aussehen und dem Klang ihres

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