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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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einer der Soulers den Jungen nicht ansieht. Sein Blick richtet sich direkt auf mein Versteck. Elias. Für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich, er habe mich vielleicht nicht gesehen, oder er würde mich laufen lassen, obwohl er mich entdeckt hat. Aber er entfernt sich von den anderen und geht schnell durch das hohe Gras in den überwucherten Gängen.
    Ich drehe mich um und renne los, raus aus meinem Versteck und hinein in die Ruinen. Ich mache mir nicht die Mühe, mich umzuschauen, aber er folgt mir, ich kann seine Schritte schon hören.
    Ich habe einen Vorsprung, aber Elias ist kräftiger als ich. Ohne darauf zu achten, wohin ich laufe, renne ich durch die Ruinen, lasse den Vergnügungspark jedoch immer rechts von mir liegen, sodass ich aufs Meer zu halte. Manchmal höre ich seine Schritte hinter mir, wie sie auf den Boden knallen bei der Verfolgungsjagd. »Gabry, warte«, ruft er, und als ich seine Stimme höre, renne ich nur noch schneller, strenge ich mich nur noch mehr an.
    Ich sehe nur diesen Jungen vor mir, wie er sich von der Mudo hat anstecken lassen. Es ist unverzeihlich, dass sie ihn dazu gezwungen haben, so eine schreckliche Wahl zu treffen. Unverzeihlich, dass Elias nur dabeigestanden und zugeschaut hat. Das war ein Kind!
    Elias erwischt mich, als ich die Uferabsperrung erreicht habe, seine Hand packt meinen Fuß, als ich mich gerade darüberwälzen will. Ich trete um mich und spüre, wie ich ihn mit der Ferse treffe. Ich muss rennen, muss weg von hier, zurück zum Leuchtturm, in mein Bett kriechen und eine Erklärung für das suchen, was ich heute Nacht gesehen habe.
    Ich quäle mich über die Wand, falle in den Sand, stolpere, als ich auf dem Boden aufkomme. Bevor ich mich aufrappeln kann, höre ich, wie Elias neben mir landet, und dann wälzt er sich auf mich.
    Er drückt mich in die Düne, keuchend und nach Luft ringend liegen wir da. Ich bin völlig blind vor Panik. Dann explodiert mein Körper. Als ob dies das Ende wäre, als ob ich ertrinken würde und dies meine letzte Chance, mich noch einmal an die Wasseroberfläche zu kämpfen. Ich prügele auf ihn ein, strampele mit den Beinen und schlage ihn mit den Armen.
    Als ich schreien will, presst Elias mir die Hand auf den Mund. Ich will ihn beißen, spüre, wie meine Zähne in seine Finger schlagen, aber er zuckt nur und packt mich mit festerem Griff, bis ich die Kiefer wieder entspanne.
    Sein Körper liegt schwer auf meinem, er zerdrückt mich. Ich spüre seine Lippen an meinem Ohr. »Es ist okay«, sagt er.
    »Es ist alles gut, Gabrielle«, wiederholt er, als ob ich ihm glauben würde, wenn er es nur oft genug wiederholt.
    Aus dieser Nähe fühle ich mich von seinem Geruch bedrängt, seine Haut klebt auf meiner. Ich halte die Luft an.
    »Du bist in Sicherheit«, sagt er.
    Ich will ihm glauben, will ihm so vertrauen wie letzte Nacht. Ich will, dass er mich beschützt und alles besser macht. Aber das kann ich nicht. Jetzt nicht mehr, wo ich weiß, wer er ist. Nicht nach dem, was ich gerade gesehen habe.
    Ich drehe mich unter ihm, bis sein Gesicht über mir ist. Der Mondschein fällt über eine Düne in der Nähe und wirft Schatten auf sein Züge.
    Einen Moment lang höre ich auf mich zu wehren, und er zieht die Hand von meinem Mund. Ich lecke mir die Lippen und schmecke noch seinen Schweiß. »Du bist ein Souler«, sage ich. »Du gehörst zu ihnen. Du hast sie …« Ich kann den Satz nicht mal beenden, weil mir die Galle hochkommt, wenn ich daran denke, was sie mit diesem kleinen Jungen gemacht haben.
    Nicht zu fassen, dass die Hände, die mich jetzt halten, der Körper, der dabeistand, als dieser Junge sich willentlich angesteckt hat, demselben Menschen gehören, der mich heute Nachmittag so mühelos getröstet hat, der mir so ein Gefühl von Sicherheit geben konnte.
    »So einfach ist das nicht«, sagt er. Er schaut mir forschend in die Augen, als ob meine Anschuldigung ihn verletzt hätte.
    »Ist es doch«, sage ich ihm. »Ihr habt diesen Jungen getötet. Diesen kleinen Jungen. Du hast dagestanden und es geschehen lassen.« Ich schüttele den Kopf, kann es immer noch nicht fassen.
    Ich denke an Catcher, allein, in einem verfallenen Haus, der darauf wartet, dass die Ansteckung von ihm Besitz ergreift. Ich denke daran, dass Elias gewusst hat, wo er war, als ob er darauf warten würde, dass er sich wandelt – als ob er wollen würde, dass er sich wandelt.
    »Das sind Ungeheuer«, sage ich kaum hörbar. Ich weiß nicht, ob ich die Mudo meine, die

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