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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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Alles an ihr ist schlaff, als hätte sie bereits aufgegeben, und die anderen müssen sie stützen.
    Sie sieht dünner aus als früher, nach nur zwei Tagen schon, und ihre Haut ist grau von der Gefangenschaft. »Cira, isst du? Bringen sie euch Essen und Wasser?«
    Sie reagiert nicht, starrt nur durch mich hindurch, als wäre ich verschwunden. Ich warte darauf, dass sie etwas sagt. Bittend schaue ich Blane an. »Ist sie okay?«
    Ihr Hass ist mit Händen zu greifen. »Was schert dich das? Du warst es, die Cira im Stich gelassen hat«, sagt sie. »Du bist es, der Freundschaft nichts bedeutet.«
    Ich presse meine Lippen zusammen und konzentriere mich auf den Fußboden, wo Risse sich wie Spinnweben durch den Beton ziehen. Ich will tief Luft holen, bin aber zu zittrig. Ich möchte Blane sagen, dass ich versucht habe, Cira zum Mitkommen zu bewegen. Sie sollte mit mir weglaufen. Aber diese Worte haben einen bitteren Geschmack, ich weiß, ich hätte mich mehr anstrengen können.
    Ich blinzele schnell, bete, dass ich nicht vor diesem Mädchen anfange zu weinen. »Bitte, sorg dafür, dass es ihr gut geht«, sage ich schließlich. Blane nickt, ehe sie sich umdreht und Cira zu einer Bank hinten an der Wand führt.
    Ich bleibe noch ein bisschen länger stehen. Ein wenig hoffe ich, dass Cira zu mir aufschaut, meinen Schmerz sieht, zu mir kommt und meine Hand nimmt und mich fragt, was denn los ist. Aber sie zieht sich in sich selbst zurück, nimmt mit zitternden Fingern einen Becher Wasser von Blane an, trinkt aber nicht.
    Schließlich stehle ich mich wieder durch die Tür und die Treppen hinauf, meine beste Freundin zurücklassend.

15
    A uf dem Weg zum Leuchtturm wirkt alles gedämpft. Die Geräusche der Stadt, der Leute, die Podeste bauen und Dekorationen für die Ankunft der Rekruter anbringen. Sogar die untergehende Sonne fühlt sich matt an auf meiner Haut.
    Die Wellen am Strand sind träge, sie vermögen den Kadaver eines großen, enthaupteten Mudo im Sand nicht von der Stelle zu bewegen. Aber als ich das Haus betrete, kommt es mir vor, als ob alle Konturen scharf hervortreten und das Geräusch der Leere in der Luft lebendig ist.
    Und dann trifft es mich mit voller Wucht: Meine Mutter ist weg. Sie hat mich verlassen. Unsere Gespräche von letzter Nacht und heute Morgen wirbeln in der Stille um mich herum, durchlöchern meine Haut, bohren sich in meinen Schädel. Ich habe ihr eingeredet, dass sie sich erinnern soll. Ich habe ihr gesagt, dass Vergessen sinnlos ist.
    Ich bin der Grund dafür, dass sie weg ist. Sie könnte sich draußen im Wald verletzen oder infiziert werden, und das wäre nur meine Schuld. Weil ich sie gezwungen habe, allein zu gehen, weil ich zu ängstlich war, sie zu begleiten.
    Ich presse die Handflächen auf die Augen und krümme mich, eine Welle von Übelkeit erfasst mich. Ich habe es so satt, mich nutzlos, schwach und allein zu fühlen. Alles falsch zu machen und die Leute, die ich liebe, in Gefahr zu bringen.
    Ich habe es satt, Angst zu haben und der Angst zu erlauben, mich zurückzuhalten. Wütend balle ich die Fäuste. Ich muss Catcher finden, mit ihm reden, ihm erklären, was passiert ist, und ihn um Hilfe bitten.
    Elias’ Gesicht blitzt vor meinem inneren Auge auf, die Erinnerung daran, wie er mich heute Morgen gehalten hat, kribbelt mir über Arme und Beine. Aber diese Gefühle verdränge ich. Er ist ein Fremder, mache ich mir klar, und er hat mich abgewiesen, als ich ihn gebraucht habe. Er weiß nichts über mich, und das wird auch so bleiben.
    Ich schnalle mir sein Messer um, und nachdem ich die Tür des Leuchtturms hinter mir zugeschlagen habe, mache ich mich mit großen Schritten zum Strand auf. Die Gefahren interessieren mich nicht: Ich habe Catcher versprochen, da zu sein, und ich brauche ihn genauso wie er mich.
    Doch als ich zu dem Gestell hinüberschaue, auf dem wir das Boot letzte Nacht gelagert haben, stelle ich fest, dass es leer ist.
    Elias muss es mitgenommen haben, meine einzige Möglichkeit, sicher zurück zu den Ruinen zu gelangen. Am liebsten würde ich meinen Frust laut hinausschreien.
    Ich trete in den Sand, den mir der Wind nur wieder entgegenschleudert, er sticht auf meiner Haut. Ich rase auf die Wellen zu und stehe schon mit klopfendem Herzen bis zu den Schenkeln im Wasser, als mir klar wird, wo ich bin und was ich da gerade tue. Ein bisschen Tageslicht ist immer noch da, die Sonne versinkt gerade am Horizont.
    Als ich darüber nachdenke, muss ich nach Luft schnappen. Schaffe

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