Das Meer Der Tausend Seelen
Soulers oder beide. Und dann starre ich ihm in die Augen. »Du bist ein Ungeheuer.«
»Lass mich erklären«, erwidert Elias.
»Nein.« Sein Gesicht ist so nah, dass ich die Hitze seines Atems spüre. »Du hast deine Wahl getroffen.«
Er will etwas sagen, aber ich gebe ihm keine Chance. Ich ziehe mein Knie hoch, so heftig und so schnell wie möglich, und erwische ihn unvorbereitet. Seine Augen weiten sich, als er nach Luft schnappt. Er versucht mich am Arm zu packen, aber ich kann mich mühelos von ihm wegdrehen, seinem Griff ausweichen und das Messer von der Hüfte ziehen.
»Gabry«, krächzt er, aber ich drehe mich nicht um. Ich sprinte über den Strand aufs Wasser zu, so schnell ich kann, stürze mich in die Wellen. Bei einem Blick zurück sehe ich etwas Weißes aufblitzen. Elias rappelt sich hoch und stolpert hinter mir her.
Ich tauche durch die Brandung, paddele mit aller Kraft durchs Wasser. Meine Atmung ist unregelmäßig, meine Haut brennt vom Salz, aber ich kämpfe mich durch den Schmerz. Schließlich erreiche ich den steinernen Hafendamm. Als ich mich aus dem Wasser hieven will, rutschen meine Hände von den Felsen ab.
Elias’ geschorener Kopf hüpft wie eine blasse Kugel durch die Wellen, er schwimmt hinter mir her.
Nur einen Augenblick zögere ich. Ich bin umgeben von Dunkelheit, von endlosem Wasser, dem unendlichen Himmel, dem lichtlosen Land. Nichts existiert hier, nichts ist wirklich. Ich denke daran, mich wieder ins Wasser fallen zu lassen, hinabzusinken und die Luft aus meinen Lungen weichen zu lassen.
Und dann springe ich von Fels zu Fels, bis ich auf der anderen Seite des Dammes bin, und tauche wieder ins Wasser, schwimme auf den Leuchtturm zu.
Elias ist der kräftigere Schwimmer, seine Züge sind gleichmäßiger als meine. Als ich mich aus der Brandung schleppe, lasse ich mich von den Wellen ans Ufer schieben. Er ist nicht allzu weit hinter mir. Ich streiche mir das Haar aus den Augen und taumele den Strand entlang zum Leuchtturm.
An der Tür bleibe ich stehen, lehne den Kopf dagegen und versuche, meine Atmung zu beruhigen. In meinen Augen brennt das Wasser, das Salz der Tränen und des Meeres tropft mir vom Kinn. Die Bewegung hinter mir spüre ich eher, als dass ich sie höre, und mit gezücktem Messer wirbele ich herum. Ich rechne damit, dass Elias vor mir steht.
Aber er ist es nicht. Eine andere Gestalt humpelt aus den Schatten und zieht ihr schlimmes Bein durch den Sand.
»Ich wollte mich nicht anschleichen«, sagt Daniel. Er kommt näher.
17
I ch schaue an Daniel vorbei in die Brandung, wo Elias aus dem Wasser kriecht. Ich will mich jetzt nicht mit ihm auseinandersetzen, ich ertrage die Vorstellung nicht, ihm nahe zu sein. Aber ich fürchte, wenn Daniel ihn sieht, wird er herausfinden, dass ich außerhalb der Barriere gewesen bin, und dann bekomme ich schrecklichen Ärger.
»Tut mir leid«, sage ich zu Daniel, versuche dabei zu lächeln und umständlich mein Messer wieder in die Scheide an meiner Hüfte zurückzustecken. »Ich habe niemanden erwartet.«
Sein Grinsen ist breit, aber er kneift die Augen zusammen, als er sich heranschleppt. Er bewegt sich langsam. »Komische Zeit, schwimmen zu gehen«, bemerkt er.
Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie Elias sich den Strand entlangschleicht. »Es ist ablaufendes Wasser«, antworte ich nervös und gehe auf die Leuchtturmtür zu. Daniel folgt mir. »Die sicherste Zeit, sich die Sterne anzuschauen.« Ich schlucke, während Elias näher kommt.
Daniel muss hier weg. »Was bringt dich denn zu dieser Stunde hier heraus?«, frage ich, um ihn abzulenken.
Daniel legt seinen Kopf schräg. »Ich dachte nur, ich sehe mal nach dir«, sagt er. »Letzte Nacht an der Barriere wirktest du so verstört.«
Hinter Daniel bleibt Elias stehen und richtet sich ein bisschen gerader auf. Er wäre dumm, wenn er sich Daniel zeigen würde, trotzdem versteckt er sich nicht gut. Er steht einfach da, lässt die Arme hängen und starrt mich an. Wenn Daniel sich nur ein bisschen dreht, auch nur einen Blick zum Meer hinüberwirft, dann wird er ihn sehen.
Ich lege Daniel eine Hand auf den Arm, damit er weiterhin seine Aufmerksamkeit auf mich richtet, aber er scheint das falsch zu verstehen. Er zieht eine Augenbraue hoch, und ich suche hektisch nach Worten.
»Wie unhöflich von mir, dich hier draußen im Dunkeln stehen zu lassen«, sage ich schließlich und stoße die Tür hinter mir auf. »Bitte, komm herein.«
Einen Augenblick lang schaut er mich an, und
Weitere Kostenlose Bücher