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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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bekehren. Und wenn sie je hierherkämen …« Er wirft mir einen schnellen Blick zu und schneidet mit der Waffe eine imaginäre Kehle durch. »Komisch, dass so eines ausgerechnet bei dir landet«, sagt er.
    Ich gieße gerade Wasser aus dem Kessel, meine Hände zucken, und es schwappt kochend heiß über meinen Daumen und das Handgelenk. Bevor ich reagieren kann, hat Daniel schon nach einem Handtuch gegriffen und trocknet meinen Arm ab. Seine Finger verharren über der angeschwollenen Schnittverletzung auf meiner Handfläche.
    »Ich habe es am Strand gefunden«, sprudele ich hervor. »Das Messer«, erkläre ich. »Ist angespült worden.«
    »Das sieht nicht gut aus.« Er beugt den Kopf über meine Hand und ignoriert meine Erklärung.
    »Das geht schon«, sage ich und ziehe die Hand weg. Ich will nicht berührt werden, ich will nicht mal jemanden in meiner Nähe haben. Ich will mich einfach verkriechen und vergessen.
    Er schaut mich an. »Deine Mutter kennt sich gut mit Heilpflanzen aus. Hat sie dafür nichts?«
    Er kommt mir noch näher, ich kann seinen Atem spüren – und seine Haut, seinen Geruch und sein Begehren.
    Ich stelle den Kessel auf den Tisch, heißes Wasser schwappt über und tropft neben Daniels Fuß auf den Boden. Er macht einen Schritt zurück und lässt mich zögernd los. »Das geht schon«, sage ich noch einmal. Sogar ich höre, wie meine Stimme zittert.
    Er legt den Kopf ein wenig schräg, sein Blick wird bohrend. »Wo ist deine Mutter?«, fragt er. Das Messer stößt er neben mich auf den Tisch, die Spitze dringt ins Holz ein. Ich trete einen Schritt von ihm zurück, hole ein sauberes Handtuch aus der Schublade. Eine gute Entschuldigung, ein bisschen Abstand zwischen uns zu schaffen.
    »Mir ist aufgefallen, dass die Laterne im Leuchtturm nicht brennt«, sagt er und kommt näher. Seine Stimme klingt tiefer, und mir stellen sich die Nackenhaare auf, weil irgendetwas darin mitschwingt.
    Ich verfluche mich wieder dafür, dass ich weggegangen bin, ohne die Laterne anzuzünden. Selbstverständlich bringt so ein Versehen die Miliz hierher. Das Protektorat verlangt, dass wir den Turm beleuchten, obwohl Handelsschiffe die Piraten schon seit Jahren nicht mehr in Versuchung geführt haben.
    »Sie ist krank«, sage ich. »Ich mache das jetzt«, ergänze ich und laufe schon aus der Küche und die Treppe hinauf zum Leuchtfeuerraum. Ich öffne die Lampe und justiere den Docht, meine Hände zittern noch, als ich das Poltern von Daniel höre, der mir folgt, sein schlimmes Bein bremst ihn. Die Spannung in meinen Schultern löst sich: Es ist eine solche Erleichterung, allein zu sein, wenn auch nur für einen kleinen Augenblick.
    Aber Alleinsein bedeutet, dass meine Gedanken wieder zu Elias und den Soulers wandern. Ich husche ans Fenster und suche den Strand mit den Augen ab, vergewissere mich dabei, dass Daniel Elias nicht entdecken kann, falls er zufällig ins Freie schauen sollte. Nichts regt sich in der Dunkelheit, und ich frage mich, ob Elias immer noch da draußen ist, ob er vielleicht sogar gerade zu mir hochsieht.
    Zitternd schaue über die Barriere hinweg in die Ruinen. Ob die Soulers noch dort sind? Ob ihre perverse Zeremonie noch im Gange ist? Ich blinzele, versuche das Amphitheater auszumachen und meine, einen Funken Licht zu sehen, ein schwaches Leuchten, dort, wo sie sein müssten, und dann nichts mehr.
    Daniels Schritte werden lauter. Ich kümmere mich wieder um die Lampe und zünde sie schnell an, dann gebe ich vor, alle Hände voll mit dem Aufziehen des Mechanismus zu tun zu haben.
    Er betritt den Raum, der mir sofort zu klein vorkommt, zu eng und zu hoch. Es gibt nur einen Ausgang, und der wird von seiner massigen Gestalt versperrt. Er hält das Messer in der Hand, die Klinge schimmert im Licht.
    Ich schalte den Drehmechanismus ein, aber Daniels Gegenwart macht mich nervös, und ich bin abgelenkt. Meine Fingerspitze gerät zwischen die Zahnräder, der Schmerz ist stechend, und ich schreie auf. Der Lichtschein schwenkt über uns hinweg, die Helligkeit hat fast etwas von roher Gewalt.
    Daniel kommt weiter in den Raum hinein, ich gehe um die Laterne herum und tue so, als würde ich ein anderes Zahnrad überprüfen. Mein Finger schmerzt indessen pochend.
    Er bemerkt die jüngsten Ritzungen meiner Mutter unter dem Fenster, bückt sich und fährt mit den Fingern über die ersten paar Worte des Sonetts. »Was soll das sein?« Er keucht immer noch von der Anstrengung des Treppensteigens.
    »Meine Mutter mag

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