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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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noch immer da oben kreisen und kreisen, während hier unten alles zusammengebrochen ist und sie nutzlos geworden sind. Sie sind einfach …« Er sucht nach dem Wort, während der Wind über uns hinwegweht. »Sie machen immer weiter. Als ob sich nichts verändert hätte.«
    Mit unserem ganzen Leben verhält es sich doch ähnlich, denke ich. Wir werden in Bewegung gesetzt, und dann verbringen wir den Rest unseres Lebens damit, diese Bewegung in Gang zu halten … aber zu welchem Zweck? Welchen Sinn hat es? Bisher hat mich das nie gekümmert. Ich war glücklich.
    Hinter uns knackt ein Zweig. Mit einem Satz rücke ich von Elias ab. Die Stimmen von Catcher und Cira sind in der Dunkelheit zu hören. Ich drehe den Kopf, mein ganzes Gesicht brennt. Hoffentlich haben sie uns nicht zusammen gesehen! Ich huste und sehe zu Elias. Er steht immer noch am selben Fleck, schaut jedoch nicht mehr in den Himmel hinauf.
    Er sieht mich an, mit einer Miene, die mir den Atem verschlägt. Reue und Schmerz und Begehren. Ich muss den Blick abwenden, weil ich mich vor dem fürchte, was mein Gesicht im Gegenzug verraten könnte. Ich bin zu verwirrt, weiß nicht, was ich fühlen oder wünschen soll.
    Er macht ein paar Schritte auf mich zu, und ich erstarre. »Wenn ich doch wüsste, wie ich es dir recht machen kann«, sagt er. Seine Stimme ist so leise, fast könnte ich sie für Murmeln des Windes halten. »Wenn ich doch wüsste, was du willst.« Er dreht sich um und geht weiter den Pfad hinauf in die Dunkelheit.
    Catcher und Cira kommen näher, ich schließe die Augen. Ich auch, denke ich.

27
    W ir wandern weiter. Elias holt Essen und Wasser aus
seinem Rucksack und reicht es herum. Der Mond geht auf und wieder unter. Kurz vor Tagesanbruch finden wir eine kleine Lichtung auf dem Pfad, auf der wir uns ausruhen wollen. Mit immer leiser werdenden Stimmen setzen Catcher und Cira ihr Gespräch fort, bis sie einschlafen. Elias schnarcht leise. Nur ich schaue noch in den Himmel und halte Ausschau nach einer Sternschnuppe oder einem Satelliten. Immerzu versuche ich mich zu erinnern: Bin ich diesen Pfad schon einmal gegangen? Erinnere ich mich an diese Bäume? An diesen Geruch? Diese Geräusche? Die Erinnerungen tänzeln so lange außerhalb meiner Reichweite, bis Träume die Gedanken verdrängen.
    Der nächste Morgen ist feucht und grau, die heiße Luft regt sich nicht. Cira hat Ringe unter den Augen, doch sie kann allein stehen. Sie isst und trinkt etwas Wasser, ihre Wangen bekommen wieder ein wenig Farbe. Sie schafft es auch, ein Stück zu gehen, ohne sich auf Catcher zu stützen, trotzdem kommen wir nur langsam voran, und nach wie vor drücken sich auf beiden Seiten die Mudo gegen den Zaun, ziehen, zerren, stöhnen.
    Es ist unmöglich festzustellen, wie viel Zeit vergangen ist oder wie weit wir gelaufen sind. Wir machen einfach weiter, setzen einen Fuß vor den anderen, der Rucksack scheuert meine Schultern wund.
    Ich bemerke es nicht mal, als Elias stehen bleibt, und wieder stolpere ich in ihn hinein, falle und fange mich am Zaun ab. Ich bin Zäune nicht gewohnt und auch nicht, so nah an die Mudo heranzukommen, dass sie mich bedrängen, bis es fast unmöglich wird zu atmen. Ich spüre, wie Mudo an meinen Fingern zerren, schreie, zucke zurück, presse die Hand an meine Brust. Mein Herz hämmert, und ich schließe die Augen, damit sich meine Atmung wieder beruhigt.
    Als ich die Augen wieder aufschlage, hat Elias seinen Rucksack fallen lassen. Er beugt sich über mich und hält mir die Hand hin, um mir aufzuhelfen. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragt er. Ich nicke, stehe auf und ziehe meine Hand schnell weg, als Catcher und Cira hinter uns um die Ecke biegen.
    Dann trete ich noch einen Schritt zurück und konzentriere mich darauf, die Gurte meines Rucksacks zu verstellen.
    »Was ist los?«, fragt Catcher. Mein Gesicht wird glühend rot, weil ich denke, dass er von mir und Elias redet, dass er etwas sehen könnte, das nicht da ist. Ich werfe Elias einen scharfen Blick zu, aber er schaut mich nicht an.
    »Da ist ein Tor im Pfad.« Elias zeigt mit dem Finger in die Richtung.
    Mein Gesicht glüht nun noch heißer, wenn das überhaupt möglich ist. Ich komme mir blöd vor, weil Elias mein erster und einziger Gedanke gewesen ist. Und in der Hoffnung, dass die anderen das nicht bemerken, packe ich die Gurte meines Rucksacks fester und gehe auf das Tor zu. Warum soll ich mich denn auch schuldig fühlen, wenn Elias mir beim Aufstehen hilft? Wie komme ich nur

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