Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
Vom Netzwerk:
Blumen.
    Catcher zerrt, das Tor geht auf, wir rennen hindurch. Der erste Mudo prallt in dem Moment gegen den Zaun, in dem Catcher das Tor hinter uns verriegelt. Die Wucht und die Geräusche, die der Mudo macht, als er am Metall reißt, lassen mich entsetzt zurücktaumeln. Mehr und immer mehr Mudo schließen sich dem ersten an, sie zerren und ziehen am Maschendraht.
    Ich drehe mich im Kreis, fürchte, dass wir uns in eine noch schlechtere Lage gebracht haben und gefangen sind. Dann stolpere ich den Pfad ein Stück hinunter, meinen zerrissenen Rock fest an mich gepresst, damit ich den Zäunen ja nicht zu nahe komme. Das Gras hier wächst hoch und kräftig, nichts deutet auf Mudo hin.
    Vor den Zäunen jedoch drängen und winden sie sich. Ich gehe wieder zu Catcher und Elias, die durch das Tor zurückschauen, in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Wir schnappen alle nach Luft.
    »Wird er halten?«, flüstere ich.
    Keiner antwortet mir. Wir stehen einfach da und starren die Mudo an, die sich langsam auf der anderen Seite des dünnen Metalls sammeln, das unter ihrem Gewicht ächzt und sich ausbeult.
    Catcher stellt Cira auf die Füße. Sie schwankt, bleibt aber an ihn gelehnt stehen. Er legt ihr die Hand auf die Wange, und sie schmiegt sich an ihn.
    »Du lebst«, sagt sie. Ihre blassen Lippen glänzen im Mondschein. »Ich dachte, du wärst tot.«
    Er lächelt und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn. Ich muss mich abwenden, es ist so unerträglich schön, sie endlich zusammen zu sehen. Dass ich es war, die Cira erzählt hatte, wir hätten ihren Bruder verloren, und dass sie deswegen fast gestorben wäre, ertrage ich kaum.
    »Ich lebe«, murmelt er. »Alles wird jetzt gut. Das verspreche ich.«
    Mir wird der Hals eng, ich habe das Gefühl, er würde mit mir reden, mir versprechen, dass mit uns alles gut werden wird. Ich will es glauben, will seine Worte festhalten, doch sie zerstreuen sich in der Dunkelheit.
    Elias durchbricht diese Stimmung. »Wir sollten weitergehen.« Er wirft einen Blick auf den sich unter dem Ansturm der Mudo biegenden Zaun, und ich weiß, was er denkt: Wir mögen zwar auf dem eingezäunten Pfad sein, doch wir sind immer noch in Gefahr. Solange wir uns im Wald aufhalten, sind wir nicht in Sicherheit.
    Hinter uns kann ich Rufe hören. Ich schließe die Augen, bitte darum, dass wir dieses eine Mal etwas Glück haben und dass sie sich gegen unsere Verfolgung entscheiden mögen. Weil wir das Risiko nicht wert sind.
    Catcher reicht Cira eine Feldflasche mit Wasser, aus der sie gierig trinkt. »Wohin gehen wir?«, fragt sie zwischen den Schlucken.
    Ich schaue Elias an, der meinen Blick erwidert. Ich denke an meine Mutter, an ihr Dorf, irgendwo an diesem Pfad. Ob es wohl immer noch da ist? Ob sie hier irgendwo vor uns läuft? Ich habe Angst zu hoffen, dass beides zutrifft, ich habe Angst, mir etwas zu wünschen, was vielleicht nicht in Erfüllung geht.
    »Zuerst sehen wir zu, dass wir aus Vista wegkommen«, sagt Elias, ehe ich Gelegenheit habe zu antworten. »Und dann überlegen wir uns den nächsten Schritt.«
    Direkt vor dem Tor ist der Pfad breit genug für uns, wir können als kleine Gruppe hier stehen, doch bald wird er schmaler, sodass es fast unmöglich ist, zu zweit nebeneinander zu gehen. Cira ist immer noch unsicher auf den Beinen, aber das Wasser hat sie gestärkt, und mit Catchers Hilfe kann sie ein paar Schritte allein machen.
    Ich will ihnen helfen, bin aber bald im Weg. Trotzdem will ich in der Nähe bleiben und hören, was sie sagen, doch sie stecken die Köpfe zusammen und unterhalten sich leise. Ein paarmal höre ich sie kichern und frage mich, worüber wohl. So gern möchte ich mich an ihrem Gespräch beteiligen. Doch bald begreife ich, dass die beiden so von ihrer Wiedervereinigung gefesselt sind, dass ich nur störe.
    Also gehe ich hinter Elias her, helfe dornige Ranken zurückzuschneiden und hohes Gras niederzutreten. Ich rede nicht mit ihm, während immer tiefere Nacht über uns hereinbricht. Ich ärgere mich immer noch über unser Gespräch von vorhin, also denke ich lieber an meine Mutter.
    Ob sie wohl auch so weit gekommen ist? Setze ich meine Füße vielleicht dahin, wo sie vor Kurzem erst gegangen ist? Hat sie hier vielleicht in den Wald geschaut und daran gedacht umzukehren? Hatte sie vor, mich zu holen? Ich schüttele den Kopf, das hätte sie nicht getan, da bin ich mir sicher. Ich stelle mir vor, wie sie den Pfad entlangschreitet, mit ausgreifenden, sicheren Schritten und

Weitere Kostenlose Bücher