Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Betende vor dem Altar. Ich sah Julian neben dem großen dreiflügligen Fenster, wo er sich mit Arthur Hamilton und einem Mann unterhielt, der mir bekannt vorkam. Wo hatte ich dieses Profil schon einmal gesehen?
Als wir eintraten, drehten sich die drei Männer um. Doch all meine Aufmerksamkeit galt Julian. Er trug einen schlichten, gut geschnittenen marineblauen Anzug und ein weißes Hemd. Das Sonnenlicht fing sich in seinem Haar, und sein Lächeln war so strahlend, dass es meine Augen blendete. Er kam auf mich zu und streckte die Hand aus. Als ich sie ergriff, schlossen sich seine Finger fest um meine.
»Ah, hier ist die schüchterne Braut«, verkündete der andere Mann, den ich sofort erkannte, als ich seine Stimme hörte. »Sollen wir anfangen?«
Die Trauung war kurz und ohne überflüssigen Pomp. Nur die einfachen, vertrauten Formeln, vorgelesen vom Bürgermeister von New York und wiederholt von uns mit aufrichtiger Überzeugung. Ich, Julian, nehme dich, Kate, zu meiner Frau. Ich, Kate, nehme dich, Julian, zu meinem Mann. Dieser Ring soll unsere Ehe besiegeln . Dann: Mit den mir vom Staate New York verliehenen Vollmachten … Und wir waren verheiratet.
Julian beugte sich vor und küsste mich sanft auf den Mund. Dann nahm er meine Hand und berührte das schlichte Platinband mit den Lippen, das nun über dem Diamantring steckte, den er mir im Mai geschenkt hatte. Ich hatte gar nicht an Ringe gedacht, doch als ich an der Reihe gewesen war, hatte ich plötzlich einen in der Hand gehabt. Nun befand er sich am vierten Finger von Julians linker Hand. Als ich erst den Ring und dann die markanten Züge meines Mannes, seine blaugrünen Augen und seinen lächelnden Mund betrachtete, wurde mir klar, dass diese Zeremonie keine sinnentleerte Formalität gewesen war.
»Du bist mein.« Ich lächelte. »Mein Mann.«
»Der Himmel steh dir bei«, flüsterte er mit einem leichten Zwinkern.
Wir drehten uns zu Charlie und Arthur um und ließen uns gratulieren.
»Altes Mädchen, das war Wahnsinn«, meinte Charlie mit ehrfürchtiger Miene. »Keine Blumen oder ähnlicher Schei … Kram. Nur das Nötigste. Beeindruckend, altes Mädchen, echt beeindruckend.«
Ich wandte mich an Arthur Hamilton. »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte ich aufrichtig.
Er hatte feuchte Augen. »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite«, erwiderte er.
Draußen wurden wir nicht von Reis werfenden begeisterten Angehörigen erwartet, nur von einem ganz gewöhnlichen belebten New Yorker Gehweg und von Henry, der uns die rückwärtige Tür des schwarzen Cadillacs aufhielt. Eric bugsierte uns beide geschickt hinein. Das Letzte, was ich sah, als wir, Julians Hand fest um meine, losfuhren, war Arthur Hamiltons Gesicht. Die gekünstelte Fröhlichkeit war einem tieftraurigen Ausdruck gewichen.
Zu Hause angekommen, hob Julian, der im Auto seltsam still und nachdenklich gewesen war, mich in seine Arme.
»Was machst du da?«, rief ich und angelte hektisch nach meinem rechten Schuh, der wegen der schwungvollen Bewegung hinunterzufallen drohte.
»Ich trage dich über die Schwelle, Liebling«, erwiderte er. »Das ist Tradition.« Er trug mich die Vortreppe hinauf und, vorbei an Eric, in die Vorhalle, wo er einen Moment mein Gesicht musterte. »Endlich«, murmelte er, küsste mich leidenschaftlich und stellte mich dann vorsichtig auf die antiken Marmorfliesen.
»Endlich?«, wiederholte ich lachend. »Du kennst mich seit Dezember.«
Er umarmte mich weiter und betrachtete mich ernst.
»Also, Ehemann. Was ist geplant? Wie viel Zeit haben wir, bis die Gäste kommen?«
Er streichelte sanft meinen Rücken. »Nicht viel, fürchte ich.«
»Dann sollte ich wohl raufgehen und mich umziehen.«
»Hm«, meinte er nachdenklich. »Und natürlich musst du noch packen.«
Ich sah ihn fragend an. »Packen?«
Seine Lippen näherten sich meinem Ohr. »Nach dem Essen wartet ein Flugzeug auf uns. Hast du unsere Flitterwochen vergessen?« Etwas an seinem Ton ließ dieses Wort verrucht klingen.
»Flitterwochen? Wohin fliegen wir denn?«
»Ich fürchte, das kann ich dir nicht verraten. Jetzt geh nach oben.«
»Kommst du denn nicht mit?«
»Ich habe schon gepackt.«
»Aber …« Ich betastete sein Revers und bedachte ihn mit einem hoffentlich verführerischen Blick. »Ich könnte Hilfe mit dem Reißverschluss gebrauchen.«
Lächelnd beugte er sich vor und küsste mich lange. Dann wanderten seine Hände meinen Rücken hinauf und öffneten sanft den Reißverschluss meines
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