Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Kleids. »So«, flüsterte er mir ins Ohr.
»Du bist unmöglich.«
»Hab Geduld, Liebling«, sagte er.
Etwas an seinem Gesichtsausdruck sorgte dafür, dass ich zurückwich. »Was ist los?«, fragte ich.
»Nichts. Alles ist, wie es sein sollte.«
»Du wirkst so traurig. Julian, was ist passiert?«
Als er lächelte, sah es aus, als müsste er sich dazu zwingen. »Kate«, sagte er mit unbeschreiblich sanfter Stimme, »meine wunderschöne Kate. Kate Ashford.« Seine Hände glitten zu meinen Schultern. »Meine Frau. Meine Braut. Die Mutter meines wundervollen Kindes. Ich möchte, dass du eines weißt. Noch nie im Leben war ich so glücklich wie in dem Moment, als du vorhin hereinkamst und mich geheiratet hast.«
»Oh.« Da ich den Anblick seines schönen Gesichts und seines seltsam ernsten Augenausdrucks nicht ertragen konnte, betrachtete ich das dezente Muster seiner hellblauen Krawatte.
»Hör zu, Kate«, fuhr er fort und umfasste mein Kinn. »Und bitte sieh mich an. Mir fehlen die Worte, um mein Glück zu beschreiben. Deshalb kann ich nur eines sagen: Ganz gleich, was und wo ich auch bin, ich bin dein Mann. Für immer. Verstehst du?«
»Ja«, flüsterte ich.
Ich dachte, dass er mich jetzt küssen würde, doch er berührte nur meine Lippen mit dem Daumen.
»Jetzt geh nach oben und packe«, sagte er mit belegter Stimme. »Bevor unsere Gäste kommen.«
Ich nickte und eilte die Treppe hinauf. Oben auf dem Treppenabsatz schaute ich mich um und stellte fest, dass er mir nachblickte. Seine Miene war alles andere als freudig.
»Oh!«, rief ich eine halbe Stunde später aus und blieb im Türbogen zum Wohnzimmer stehen. »Sie müssen Dr. Hollander sein!«
Als sich der grauhaarige Mann vom Sofa erhob, entpuppte er sich als wahrer Hüne. »Und Sie«, erwiderte er und hielt mir die Hand hin, »sind sicher Kate Ashford. Ich muss sagen, dass Sie sogar noch schöner sind, als Julian Sie geschildert hat.«
Ich griff nach seinen Händen. »Also hat er es Ihnen verraten. Ich dachte, wir wollten alle überraschen.« Ich küsste ihn auf die Wangen. »Ich freue mich ja so, Ihnen endlich persönlich zu begegnen, Dr. Hollander. Ich weiß, dass es abgedroschen klingt, aber ich fühle mich, als würde ich Sie bereits kennen. Bitte setzen Sie sich. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Er wies auf den Couchtisch, wo ein schlichtes Glas mit Eiswürfeln und einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, vermutlich Scotch, stand. »Danke, aber Julian hat sich bereits darum gekümmert. Er musste es mir natürlich sagen, denn ich reise normalerweise nur, wenn es dafür einen wichtigen Grund gibt.«
Ich nahm neben ihm auf dem Sofa Platz. »Ich habe Unmengen von Fragen an Sie, doch im Moment werde ich Sie damit verschonen.« Hollander war nicht unbedingt ein attraktiver Mann, wirkte aber offen und freundlich und hatte dunkle Augen mit Fältchen darum herum. Außerdem machte er einen leicht zerstreuten Eindruck. Er war zwischen sechzig und siebzig Jahre alt und mindestens einen Meter fünfundneunzig groß. Und er war der weltweit führende Experte in Sachen Julian. »Zuerst möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie Julian in all den Jahren so ein guter Freund waren«, fuhr ich fort. »Wenn ich mir nur überlege, wie schwer es anfangs für ihn gewesen sein muss, mit niemandem sprechen zu können. Sicher hat er sehr darunter gelitten. Und dann hat er Sie getroffen. Gott sei Dank.«
Er sah mich an. »Du meine Güte. Wie nett von Ihnen. Wissen Sie, ich habe es stets genau umgekehrt betrachtet. Mein Studienobjekt kam eines Tages einfach in mein Büro spaziert. Der eigentlich unerfüllbare Wunschtraum eines Historikers war wahr geworden.«
»Und wo ist er?« Ich blickte mich stirnrunzelnd um. »Er vernachlässigt Sie doch nicht etwa?«
»O nein«, antwortete Hollander rasch. »Gerade kam ein Anruf für ihn.« Er wies mit dem Kopf auf die geschlossene Tür zur Bibliothek.
»Oh, das tut mir leid. Mit mir macht er das auch ständig. Der Retter der Wall Street.« Ich verdrehte die Augen, um ihm zu zeigen, wie wenig mich das beeindruckte.
Hollander runzelte die Stirn. Der alte Marxist, hatte Julian gesagt. »Wenn es nach mir ginge, hätte er alles den Bach runtergehen lassen sollen«, murmelte er.
»Aber, aber«, tadelte ich. »Sie sprechen hier mit einer Investmentbankerin. Nun, einer ehemaligen. Jedenfalls einem unverbesserlichen Kapitalistenschwein. Ich kann es kaum erwarten, gut genug mit Ihnen befreundet zu sein, um mich so richtig mit Ihnen über
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