Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Meer der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatriz Williams
Vom Netzwerk:
Tagträumen und drückte auf die Klingel. Die Musik brach schlagartig ab.
    Schritte wurden lauter, die Tür öffnete sich, und ein Schwall warmer Luft streifte meine Wangen. Eigentlich hatte ich mit einer Art Butler gerechnet, aber es war Julian selbst, der unverkennbare und hinreißende Julian, der einen dunkelblauen Rollkragenpullover und eine hellbraune Kordhose trug.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Ebenfalls hallo«, erwiderte er. »Kommen Sie rein.«
    »Oh, ich wollte Ihnen nur das hier geben.« Ich streckte ihm eine Ausgabe der überarbeiteten Präsentationsmappe, von David Doyle vor einer halben Stunde ordentlich gebunden, entgegen.
    »Danke«, sagte er und nahm sie. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, herzukommen.« Er zögerte.
    »Äh … nun, ich gehe dann mal wieder«, meinte ich. »Melden Sie sich, wenn Sie irgendwelche Fragen haben. Ich werde meine Mails lesen.« Ich wollte mich umdrehen.
    »Moment«, hielt er mich zurück. »Hätten Sie etwas dagegen, kurz reinzukommen, während ich mir das hier ansehe?« Als er sein Lächeln auf mich abfeuerte, schwindelte mir. »Schließlich möchte ich Ihre Weihnachtsfeiertage nicht mit lästigen E-Mails stören.«
    »Oh, das macht nichts. Berufsrisiko, oder?« Ich versuchte das Lächeln zu erwidern. »Doch, ja, ich habe ein paar Minuten, falls Sie möchten, dass ich warte.«
    »Wenn es nicht zu viel verlangt ist.«
    »Natürlich nicht.«
    Er wich zurück, damit ich eintreten konnte. »Oh«, stieß ich leise aus. Ich hatte mit dem üblichen kahlen Junggesellendekor gerechnet – eingerissene Wände und alles grellweiß gestrichen. Aber weit gefehlt. Am Ende der im Schachbrettmuster gefliesten Vorhalle führte eine Treppe nach oben. Rechts öffnete sich ein breiter Türbogen in ein Wohnzimmer, einen großen rechteckigen Raum mit hoher Decke, wo in einem Kamin aus hellem Marmor ein einladendes Feuer brannte. Der Kamin wurde von zwei gemütlichen Sofas flankiert. Die von im Zimmer verteilten Lampen beleuchteten Wände waren in einem warmen Goldgelb gehalten. Der im Überfluss vorhandene Stuck war cremefarben. Überall standen und lagen Bücher herum, hauptsächlich in den Regalen, aber auch in windschiefen Stapeln auf dem Boden und auf verschiedenen Möbelstücken. Der Eindruck war wohnlich. Anheimelnd.
    Rasch machte Julian einen Schritt vorwärts, entfernte die Bücher von einem der Sofas und legte sie auf den Boden. »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Keine Ahnung, warum sie immer mehr werden. Offenbar haben sie die gleiche Eigenschaft wie Kaninchen. Bitte setzen Sie sich. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Geben Sie mir Ihren Mantel.«
    Mir wurde klar, dass er nervös war. Die Erkenntnis traf mich wie ein Hammerschlag und erschreckte mich so, dass ich wie gelähmt war. Julian Laurence nervös? Meinetwegen? Ich spürte seine Hände auf meinen Armen, als er mir aus dem Mantel half und ihn über die Sofalehne breitete.
    »Nein danke«, sagte ich. »Ich wollte Sie nicht so überfallen. Eigentlich war es Banners Idee. Hoffentlich habe ich Sie nicht gestört.«
    »Überhaupt nicht. Sind Sie sicher, dass Sie nichts trinken wollen?«
    »Nein, wirklich nicht. Ich kann nicht lange bleiben.«
    Er lächelte kurz und nahm die Mappe von einem Beistelltisch. »Dann fangen wir am besten an, oder?«, schlug er vor und ließ sich mir gegenüber auf dem Sofa nieder. Er trug weiche alte Mokassins, die sich bequem um seine Füße schmiegten.
    Eine Weile herrschte Schweigen. Nachdenklich zurückgelehnt beugte er sich über die Mappe und begann sie durchzublättern. Währenddessen betrachtete ich den Bücherstapel zu meinen Füßen und versuchte die Titel auszumachen.
    »Oh, ich sehe, wie Sie vorgegangen sind«, stellte er nach ein paar Minuten fest. »Interessant. Also haben Sie zwei Szenarien entworfen …«
    »Ja«, sagte ich. »Die Voraussetzungen stehen in den Fußnoten.«
    »Aber schauen Sie«, wandte er ein, »wenn die Verkäufe im Best-Case-Szenario derart steigen … Moment, ich hole meinen Laptop.« Er stand auf und ging durch das Zimmer zu einer Schiebetür, hinter der sich eine Art Bibliothek mit weiteren Bücherregalen verbarg. Ich reckte den Hals, um ihn zu beobachten. Julian trennte ein MacBook, das auf einem Schreibtisch am Fenster stand, vom Stromkreis und kehrte damit ins Wohnzimmer zurück. »Haben Sie etwas dagegen?«, fragte er.
    »Nein, natürlich nicht«, erwiderte ich.
    »Ich habe versucht ein richtiges Modell zu erstellen.

Weitere Kostenlose Bücher