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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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„Ich muss los, ich habe einem Ehepaar aus Stuttgart eine Zeesboottour versprochen!“
    „Kann ich noch hier bleiben, Papa?“
    Jakob sah Carly fragend an.
    „Wenn sie dich nicht stört? Es sind halt noch Ferien ...“
    „Stört? Ich brauche sie dringend. Ich weiß nämlich nicht, wo der Staubsauger ist. Und der Staubwedel. Und womit man Holzmöbel behandelt!“
    „Ich weiß“, sagte Anna-Lisa triumphierend und zog sie in den Flur. Dort wies sie auf eine unauffällige Tür unter der Treppe. „Da ist die Besenkammer.“
    „Na dann viel Spaß!“ Jakob setzte seine Mütze auf. „Bis dann, ihr beiden!“
    Carly sah ihm nach, dann machte sie sich daran, mit dem Staubwedel die Spinnweben und vielleicht noch mehr Erinnerungen einzufangen, während Anna-Lisa die Gans mit duftendem Bienenwachs polierte, als könnte sie damit Joram heraufbeschwören.

15. Tee und Fledermäuse
     

    Es regnete nicht mehr, aber der Nachmittag lag grau und stürmisch auf dem Weg. Gegen den Wind gebeugt radelte Carly im Schutz von Jakobs Schiffermütze in den Ort. So sehr sie es genossen hatte, mit Anna-Lisa im Haus herumzuwerkeln, so sehr brauchte sie jetzt Zeit, mit ihren brodelnden Gedanken allein zu sein.
    „Was machst du mit den Kissen?“, hatte Anna-Lisa gefragt. Die knallgelben Kissen hatten auf dem Sofa gelegen. Carly war damit auf dem Weg zum Keller, in dem ja nun Platz war für unerwünschte Sachen.
    „Ich mag kein Gelb!“, erklärte Carly.
    „Vielleicht findet der, der das Haus kaufen wird, die Kissen gemütlich?“
    „Bis dahin will ich sie aber nicht sehen.“
    Dass sie Gelb nicht nur nicht leiden konnte, sondern dass es gegen alle Vernunft eine alte Angst in ihr weckte, ein abgrundtiefes Unbehagen, brauchte Anna-Lisa nicht zu wissen. Dass in Hennys Garten nur weiße und blaue Blumen blühten, passte wunderbar.
    Jedoch seit Carly die störenden Kissen in den Sack gestopft und ins kühle Dunkel unter dem Haus befördert hatte, wo laut Jakob die Geschichten ihre Wurzeln haben, ging ihr die Stimme ihres Vaters nicht mehr aus dem Kopf. Einmal aus den Tiefen ihrer Erinnerung geweckt, klang sie nach, hallte durch ihre Gedanken, stellte Fragen, dann wieder verstummte sie. Carly sehnte sich danach, mehr von ihr zu hören.
    Überhaupt lagen wirre Sehnsüchte, halbvertraute Gesten und lautlose Stimmen in der Luft. Das übermütige Rauschen und Glänzen in den Silberpappeln erinnerte sie an Orje, den sie vermisste. Erst jetzt, da er nicht mehr in ihrer Nähe war, fiel ihr auf, welche Leichtigkeit er in ihren Alltag gebracht hatte. Auch Anna-Lisas Lachen mit dem Hicks war wie ein Echo einer seltsam gegenwärtigen Valli durch die Räume gegeistert. Das Windspiel im Garten tröpfelte Töne dazwischen, ähnlich denjenigen, die aus Rorys Saxophon in ihr Leben getrieben waren. Die niedrigen Kiefern malten mit ihren windgebeugten Ästen Gesten in den schweren Himmel, gleich Thores Händen in einer lebhaften Diskussion. Über dem Deich malten pastellenes Licht und verschieden graue, vogelförmige Wolken ein Bild, als sei es von Henny. Und fast flog Carly mit dem Rad kopfüber, als ihr der Sturm ein Stück Rinde vor die Füße warf, so bizarr gebogen, dass Joram bestimmt etwas daraus gemacht hätte. Sie hob es auf und legte es in den Fahrradkorb. Als sie den Teeladen erreichte und dessen helle duftende Wärme betreten konnte, war sie erleichtert.

    „TeeTraumTüte“, stand über der Tür, „Inhaber: Daniel Knudsen.“
    Demzufolge war der verblüffend lange, dünne Mann, der sich hinter die Theke gefaltet hatte und sorgfältig eine Blechdose polierte, vermutlich der Daniel, von dem Synne bei der Beschreibung der wenigen Geschäfte vage und ohne weiteren Zusammenhang gesagt hatte: „Daniel ist ein Schatz.“
    Ein durchdringender, aber angenehmer Blick traf sie, ging dann an ihr vorbei zu dem blauen Fahrrad mit dem silbernen Schriftzug, das sie vor dem Schaufenster an einen Baumstumpf gelehnt hatte.
    „Sind Sie das Mädchen, das in Henny Badonins Haus wohnt? Synne hat’s erzählt“, sagte er.
    „Ja, sie und Anna-Lisa haben mich zu Ihnen geschickt, weil alle über meinen Tee aus dem Supermarkt schimpfen.“
    „Das lässt sich beheben. Was mögen Sie denn am liebsten?“
    „Schwarz. Kräftig. Assam. So was in die Richtung. Aber ich brauch auch was, was den Gästen schmeckt. Anna-Lisa. Synne. Und Jakob.“
    „Sie haben sich wohl schon gut eingelebt, was?“
    „Das darf ich gar nicht. Ich muss ja bald zurück.“
    „Zurück zu

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