Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
Vom Netzwerk:
Post!“
    Der Briefträger. Der, der Henny die Briefe durchs Küchenfenster gereicht hatte, wenn sie malte.
    Carly öffnete das Fenster weiter.
    „Die Kekse sind noch nicht fertig, aber Sie können einen Rest Teig naschen.“
    „Mmmmh, lecker. Die Frau Badonin hat nie gebacken. Nur der Herr Grafunder, manchmal. Und kochen konnte der!“
    „Joram Grafunder konnte kochen?“
    „Doch. Der stand hier öfter, rührte in den Töpfen und es duftete. Besser als aus den Restaurants unten. Manchmal durfte ich kosten. Einmal hatte er eine Erkältung und wollte wissen, ob er zu viel Rosmarin in die Suppe getan hat. Hier ist eine Postkarte für Sie.“
    Carly war sich sicher, dass er die schon gelesen hatte. Aber sie legte sie beiseite. Unter seinen Augen mochte sie sie nicht lesen, egal von wem sie war, Orje oder doch Thore.
    An diesem Abend begleitete sie der Duft nach Plätzchen die Treppe hinauf bis ins Bett. Sie kuschelte sich zufrieden ein. Das Haus lebte wieder, fand sie. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch wieder im Jetzt.

    Ein Geräusch weckte sie, war durch das offene Fenster aus der bisher lautlosen Nacht in ihren unruhigen Traum gefallen. Sie war froh darüber, etwas war ihr unbehaglich gewesen. Erleichtert befreite sie sich von der Decke, lehnte sich hinaus in die Kühle, wo über dem Land der erste Anflug von Dämmerung zu ahnen war. Am Himmel blinzelte die gute alte Venus, der Morgenstern. Eine Erinnerung an Thore flog sie an: „Die Umlaufbahn der Venus ist sehr erdnahe – nur 38 Millionen Kilometer entfernt.“
    Die Geräusche kamen vom Nachbargrundstück. Sie sah Jakobs Silhouette: Er belud sein Auto. Wenn er um diese Zeit aufbrach, hatte er vor, auf dem Bodden fischen zu gehen. Mehr aus Spaß als um des Verdienstes willen. Er lebte von den Touristen, die er tagsüber mitnahm, obwohl er auch gelegentlich etwas Fisch verkaufte. Carly aber ahnte, dass diese Zeit, die er draußen auf dem Wasser für sich allein hatte, ihm viel bedeutete, ob er etwas fing oder nicht.
    Hastig lief sie hinunter, warf sich Hennys Jacke über und packte von den Keksen, die sie gestern zum Abkühlen auf den Blechen hatte liegen lassen, eine großzügige Portion in eine Dose. Sie dufteten gut, prüfend biss sie in einen. Ja, sie schmeckten nach Sommer und Kindheit und Picknicks auf Wiesen. Oder Seen.
    Sie hatte ihre Schuhe nicht mit Absicht vergessen, aber das taufeuchte Gras unter ihren Sohlen beglückte sie. Durch ein Loch in der Hecke drückte sie sich nach nebenan. Jakob war gerade im Begriff einzusteigen.
    „Hey, warte!“
    Er zuckte zusammen, spähte in die Schatten.
    „Carly! Ist was passiert?“
    „Nein“, schnaufte sie, „hier, ich wollte dir das nur mitgeben.“ Sie drückte ihm die Dose in die Hand.
    Belustigt sah er im Scheinwerferlicht ihre nassen Füße und das Nachthemd unter der Jacke.
    „Wieso schläfst du nicht?“ Er schnupperte an den Keksen. „Mmmh, danke! Das wird mir den Morgen erhellen. Magst du nicht mitkommen?“
    Auf ein Boot? Auf das Wasser? Bloß nicht! Aber wie sollte sie ihm das erklären? Carly zögerte, dann fiel ihr ein, was sie im Traum bedrückt hatte.
    „Ich kann nicht, ich muss weiter aufräumen. Es kommt bald ein Interessent für das Haus!“
    „Oh.“ Er klang nicht begeistert.
    Irgendwo näherte sich ein Auto; das Brummen hallte durch die ruhige Nacht und entschärfte die Stille zwischen ihnen.

    Die Postkarte gestern war von Peer und Paul gewesen.
    „Papa hat gesagt, wir sollen dir schreiben. Das mit dem Telefonieren aus Ägypten klappt nicht gut. Er hat auf dem Flughafen einen Mann getroffen, der an dem Haus Interesse hat. Herr Schnug heißt der. Er wird sich in den nächsten Tagen bei dir melden und sich alles angucken. Ferien sind cool. Bei Cousine Conny ist es lustig. Viele Grüße, Peer und Paul.“
    Die Vorstellung, dass irgendein Herr Schnug besitzergreifend durch Naurulokki trampeln würde, gefiel ihr nicht. Aber das war der Deal gewesen.

    „Dann viel Erfolg und: Danke noch mal! Ich werde auf dem Wasser an dich denken. Wenn du später Hilfe brauchst, sag Bescheid. Anna-Lisa wird vermutlich sowieso bei dir auftauchen.“
    Jakob griff nach der Autotür, verharrte aber, ehe er einsteigen konnte, zum zweiten Mal erschrocken.
    Auch Carly stand erstarrt.
    Hinter ihr stiegen unüberhörbare Töne Richtung Venus. Es waren nicht die Hirsche.
    Es war die „Emma auf der Banke an der Krummen Lanke.“
    Friederikes Töne. Orje!
    Sie drehte sich um, da tauchte er schon

Weitere Kostenlose Bücher