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Das Meer in deinem Namen

Das Meer in deinem Namen

Titel: Das Meer in deinem Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Koelle
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Gewölbe. Von der Decke hingen Schiffsmodelle, und die Schiffe trugen die Namen „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“, mit weißer Handschrift etwas ungeschickt auf den Bug gepinselt.
    Das wäre eine schöne Kirche für eine Hochzeit, dachte sie. Ich würde gern einmal auf eine Hochzeit gehen. Aber das sieht weder bei Orje noch Miriam danach aus. Vielleicht Synne und Daniel?
    Aber auch dafür schien es keine Anzeichen zu geben.
    Ob Henny als junge Frau davon geträumt hatte, hier diesen Nicholas zu heiraten? Was war passiert?

    „Guten Tag!“
    Carly hatte den Pfarrer nicht gesehen, hinten in der dunklen Ecke. Er musste hinter dem Altar etwas sortiert haben, jetzt richtete er sich auf und sah sie.
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    „Ich wollte mir nur die Kirche ansehen. Sie ist so eindringlich schön. Und außergewöhnlich.“
    „Sie ist gerade renoviert worden. Dem Himmel und den Menschen hier sei Dank.“
    Er ging ihr entgegen. Jung für einen Pfarrer, fand sie.
    „Sind sie hier schon lange tätig?“
    „Hier und anderswo auf Fischland-Darß. Drei Jahre. Ich hoffe, es werden noch viele.“
    „Kannten Sie einen Joram Grafunder? Und eine Henny Badonin?“
    „Ich habe Henny Badonin beerdigt. Das war seltsam. Niemand kannte sie gut, und dennoch kamen sehr viele zur Beerdigung. Die Kirche war überfüllt. Zum Gottesdienst ist sie nie gekommen, aber wenn sonst niemand in der Kirche war, saß sie oft hier, in der letzten Bank. Ich habe einmal versucht, mit ihr zu sprechen, doch das hat sie nur vertrieben. Darum habe ich sie in Ruhe gelassen. Aber für den Weihnachtsmarkt hat sie ein Bild gespendet. Von dem Erlös konnten wir die alten Schiffsmodelle instand setzen lassen.“
    „Und Joram Grafunder?“
    „Er hat nach einem Sturm einige Schäden repariert. Spontan und kostenlos. Er war so geschickt mit Holz. Aber er sprach kaum. Ich hatte das Gefühl, er war ein sehr einsamer Mensch. Und da war etwas in seinem Blick ...“
    „Was glauben Sie, ist mit ihm passiert?“
    Der Pfarrer räusperte sich, wich ihrem Blick aus. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass er ... dass es sich um einen Suizid handelte. Ich sagte ja, da war etwas in seinen Augen ... und er hatte eben nicht viele soziale Kontakte.“
    „Ich habe da draußen einen alten Grabstein gesehen. Simon Grafunder.“
    „Ja. Simon Grafunder war Joram Grafunders Bruder. Er starb mit dreizehn. Mehr weiß ich auch nicht. Es steht im Kirchenbuch. Die Familie war offenbar nicht lange hier ansässig und ist danach fortgezogen. Joram Grafunder zahlte regelmäßig für den Erhalt des Grabes, kehrte aber erst viel später nach Ahrenshoop zurück.“
    „Danke.“
    Carly steckte Münzen in den Opferstock und verließ die dämmerige Kirche. Die helle Wärme draußen war beruhigend nach all den alten Spuren.

    Es war perfektes Strandwetter – eigentlich. Sie brauchte nur die Hauptstraße zu überqueren und den Deich, Albireo an einem der Sanddornsträucher abzustellen und wie alle anderen Touristen zum Meer zu schlendern. Einfach so.
    Aber hatte sie nicht einen Job zu erledigen? Die Zeit drängte. Hatte sie sich sonst immer auf Thores Anruf gefreut, fürchtete sie sich jetzt beinahe davor. Außer ein paar wirren alten Geschichten hatte sie noch nichts zu bieten. Es war Zeit zu handeln. Jetzt, da sie sich bei Henny gewissermaßen vorgestellt und sie um Verzeihung gebeten hatte, konnte sie wenigstens anfangen, den Kleiderschrank auszuräumen. Denn dessen Inhalt fiel bestimmt nicht unter „möbliert vermieten“.

    Das war nicht die beste Idee gewesen, stellte sie bald fest, denn auch der Schrank erzählte von Vergangenem.
    Draußen vor dem offenen Fenster dagegen hörte sie ferne Stimmen der Gegenwart, in den Seewind geflochten: spätsommerglückliche Kinder, die am Strand den Wellen Tropfen stahlen und silbern Richtung Himmel warfen. Eltern, die hinterhertobten, als fiele dabei für kostbare Stunden sämtliches Erwachsensein von ihnen ab. Möwenschreie dazwischen gestreut, die wie das Salz selbst einen solchen Tag würzen und zu einer besonderen Erinnerung machen, noch ehe er vorbei ist.
    Genauso war es früher auch gewesen, sie konnte sich daran erinnern, jetzt wieder. Die Geräusche weckten die Bilder in ihr. Wäre sie Henny gewesen, hätte sie sie zeichnen können. Doch sie schob sie beiseite, konzentrierte sich auf ihre Arbeit.

    Hennys Unterwäsche war rührend altmodisch und dünn vom langen Gebrauch. Carly fühlte sich wie ein Unmensch, als sie sie in einem

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