Das Meer in deinen Augen
Gedanken, okay?« Er klang auf einmal nicht mehr so entspannt.
»Klar.« Was anderes fiel ihr jetzt auch nicht mehr ein.
»Hey, wir fahren auch mal ans Meer, hörst du?«, fragte er schon etwas munterer.
»Ja. Du fehlst mir.« Es war wieder leise.
Im Hintergrund prallten die Wellen gegen die Klippe.
»Du mir auch«, antwortete er verspätet.
Sie spürte, wie seine Worte ihr langsam die Kraft gaben, ihm zu vertrauen.
»Der Sommer ist ja noch lang«, entgegnete sie hoffnungsvoll, als im Hintergrund ein schriller Pfiff ertönte.
»Ich muss auflegen. Wir sehen uns bald wieder.« Ehe sie sich verabschieden konnte, meldete sich das Freizeichen, und der Anruf war beendet. Einfach so. Sie starrte das Handy eine Weile an und konnte die Stille noch gar nicht begreifen.
»Hey, spiel uns was, okay?« Finn pfiff, und Luka, der am Rand der Klippe stand, wandte sich um.
»Hat heut ’nen schlechten Tag, was?«, fragte das Mädchen, das versucht hatte, Luka rumzukriegen. Jetzt kauerte sie missmutig auf einer Sonnenliege. Die Beine hatte sie an die Brust gezogen und hielt sich an ihnen fest.
Ihre Laune tat der Stimmung nicht gut. Benjamin schenkte ihr noch etwas Wodka nach. Konnte Luka nicht einfach für einen Moment vergessen, dass Emma auf ihn wartete? Sie hatten sich schließlich versprochen , was auf Sardinien passierte, würde die Insel nicht verlassen, sondern ihr Geheimnis bleiben. Langsam trottete Luka zum Tisch. Die braun gebrannten Arme hatte er vor der Brust verschränkt. »Was wollt ihr hören?« Seine Miene hellte sich auf. Er wischte mit der Hand das Haar weg, das ihm in die Stirn gefallen war. Sein Gesicht schimmerte im Licht der Fackeln.
»Er kann echt gut spielen. Mein Ding war Musik machen nie.« Finn lachte, wie er das immer tat, wenn er die Worte nicht fand und das Lallen überspielen wollte. Das Mädchen neben ihm lachte mit und rückte noch ein bisschen näher zu ihm. Es war ein hysterisches Lachen, das Benjamin irgendwie an Jennys erinnerte.
»Spiel uns … was Romantisches«, meldete er sich und es legte sich ein zufriedenes Schmunzeln auf seine Lippen, das er bis jetzt nicht von sich kannte. Das Gras wirkte immer noch.
»Genau«, antwortete Finn. »Spiel uns … wie heißt dieses Lied.« Er schnippte mit den Fingern, als könnte er den Titel so einfangen.
» Dust in the wind , spiel uns das«, wünschte sich das Mädchen, das in Finns Arm lag.
Luka nahm die Gitarre auf und setzte sich in den Sonnenstuhl, der noch frei war. Bevor er den ersten Ton anschlug, griff er noch na ch dem Jack Daniel’s. Am Boden der Flasche befand sich ein letzter R est. Luka schenkte ihn in eins der Gläser ein und gab drei Würfel Eis dazu. In einem Schluck leerte er es. Dann spielte er.
Nie hatte Benjamin so etwas Schönes gehört. Er spürte wieder den Kick, der ihn beim Sprung von der Klippe erfasst hatte. Mit dem Unterschied, dass es nicht aufhören wollte. Vielleicht lag es einfach an dem verdammten Rausch. Das war wie immer. Breit war die Welt klar und glanzvoll, erhebend und erfüllt. Wie das Meer. Genau. Ein bisschen wie das Meer. So tief, dass man den Grund nicht sehen kann. Man weiß nicht, wo es endet oder ob es überhaupt irgendwo endet. Aber wahrscheinlich fühlt es sich gerade deswegen so gut an. Niemand wagte mehr, etwas zu sagen. Selbst Finn legte den Kopf auf der Lehne ab und schaute wieder ganz friedlich drein. Lukas Finger fuhren über die Saiten, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, als würden die Töne sich ganz von alleine finden, bis es eine Melodie war. Benjamin hob das Glas und sah sein Spiegelbild verzerrt und verschwommen, während die Klänge sich immer stärker verflochten, die Luft immer stärker durchwebten. Der letzte Ton verhallte. Plötzlich fehlte etwas, war der Raum leer um sie. Nur das Meer schwappte im steten Rhythmus gegen die Felsen.
»Noch eins.« Benjamin trank aus und stellte das Glas ab. Kurz trafen sich ihre Blicke und er spürte eine Verbindung, die nur durch die Musik entstanden sein konnte. »Luka unplugged«, scherzte er. Finn ließ ein merkwürdiges Kichern hören. Luka grinste und antwortete, indem er den nächsten Ton anschlug. Und für einen Augenblick war es, als wären sie wieder nur zu dritt, drei Freunde unter sich. »Enjoy yourself, take only what you need from it« , sang er diesmal leise mit. Benjamin beobachtete ihn nur und bewunderte jeden Griff. Luka hatte sein Glück gefunden. Emma. Nicht Luka war es, der sich in seiner Zurückhaltung
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