Das Meer in deinen Augen
getönten Gläser wirkte der Markt stockdunkel. Es fiel ihm schwer, geradeaus zu gehen. Er schwankte immer noch ein wenig. Bei jedem Schritt klatschten die Flip-Flops. In der Spirituosenabteilung blieb er stehen, griff nach d em Jack Daniels und stellte drei Flaschen in den Einkaufswagen, den Finn hinter ihm herschob. Zwei Schritte weiter, und er war beim Wodka angelangt.
»Nimm noch einen Träger Cola mit«, wies er Luka an und ging weiter. Luka schwieg, tat aber, was Benjamin ihm gesagt hatte. Wahrscheinlich war er angefressen, weil Finn ihn aufgezogen hatte. Sein Problem. Er sollte sich mal nicht so anstellen. Schließlich hätte er springen können. So gefährlich war es nun auch nicht. Benjamin wartete, bis Finn den Wagen neben ihm geparkt hatte, und stellte zwei Paletten Dosenbier auf die Whiskeyflaschen.
»Meinst du, das reicht?«, feixte er und grinste.
Der klapprige Einkaufswagen rasselte weiter über die grauen Fliesen, die hier und da schon zersprungen waren. Nachdem sie einen Berg von eingeschweißtem Grillfleisch und Baguettes auf den Getränken aufgetürmt hatten, gingen sie zur Kasse, wo Benjamin darauf wartete, dass Finn und Luka alles aufs Band legten. Währenddessen suchte er aus seinem Portemonnaie die Kreditkarte heraus. Durch die Sonnenbrille glänzte die silberne Karte nur matt. Er musste aufpassen, dass er das Limit nicht überschritt. Aber das konnte noch dauern.
»Hey, Benny. Schau dich mal um.« Finn versetzte ihm einen Stoß. Die italienische Kassiererin schaute die jugendliche Kundschaft nicht besonders freundlich an. Mit jedem Piepen, das der Scanner von sich gab, wurde ihre Miene gereizter. Wahrscheinlich musste sie eine Woche arbeiten, um sich das leisten zu können, was sie heute an einem Abend versaufen würden.
»Hinter uns«, zischte Finn. »Sieh dir die geilen Weiber an.« Erst jetzt begriff Benjamin und blickte sich um. Drei Mädchen hatten sich hinter ihnen in die Schlange eingereiht. Sie hatten sich mit Wodka und Orangensaft bewaffnet. Alle drei trugen bloß Bikinis, gürtelbreite Hotpants und Sonnenbrillen, hinter denen sie mit einer Mischung aus Verlegenheit und weiblicher Verschworenheit grinsten. Die dunklen Haare waren blond gefärbt. Ihr Tuscheln verstummte. »Wow. Was die wohl vorhaben?«, entfuhr es der Mutigsten von ihnen. Ihr Zungenpiercing glitzerte dabei zwischen ihren Zähnen. Die anderen kicherten und kauten weiter auf ihren Kaugummis. Dass man deutsche Touristen traf, war hier nicht ungewöhnlich. Eine regelrechte Kolonie hatte sich im Ort gebildet. Sicher verbrachten die drei die Woche auch im Ferienhaus ihrer Eltern.
»Lad die ein, Mann«, flüsterte Finn, während Benjamin sie noch durch die Gläser der Sonnenbrille unauffällig prüfte und den Coolen spielte. Schlecht sahen sie nicht aus. Und ihrem Auftreten nach schienen sie alles andere als unschuldig zu sein. Benjamin konnte an ihren Gesichtern ablesen, dass sie mit der gleichen Absicht auf die Insel gekommen waren wie er, Finn und Luka. Hier sah ihnen niemand zu. Sie konnten Grenzen überschreiten, Regeln brechen, einmal die Wirklichkeit zurücklassen. Benjamin wollte sich nicht vorstellen, wer von den dreien zu Hause einen Freund hatte. Es spielte keine Rolle.
Die Kassiererin meldete sich genervt. Benjamin reichte ihr die Kreditkarte und bekam den Beleg mit einem Kugelschreiber vorgelegt. Er ließ sich Zeit mit der Unterschrift. Eigentlich hatte er keine Lust auf Stress mit Jenny. Wenn sie wüsste, dass er hier mit fremden Mädchen abhing, würde sie ausrasten. Er konnte ihr das Misstrauen schließlich nicht verdenken. Doch wie sollte sie überhaupt davon erfahren? Vor Luka und Finn konnte er sich ohnehin keinen Rückzieher leisten. Es lag ganz an ihm, wie der Abend verlaufen sollte.
»Räumt die Sachen ein«, bestimmte er. Finn verstand prompt und machte sich eiligst daran, den Wagen wieder zu beladen.
Die drei Mädchen standen jetzt direkt vor ihm. Bestimmt konnten sie dieses ätzende Deo riechen. Es schien sie nicht zu stören. Benjamin setzte die Sonnenbrille ab, sodass ihn das kalte Licht des Marktes zunächst blendete.
»Wir haben ein kleines Haus am Meer. Nichts Besonderes. Mit Pool und so«, fing er im Plauderton an und steckte sich die Sonnenbrille in den V-Ausschnitt seines Hemds, während er sich mit der anderen Hand durchs Haar fuhr.
»Heute Abend wollten wir die Sterne beobachten.« Finn verkniff sich ein Lachen.
»Ja, klar«, entgegnete das Mädchen mit dem Piercing und hob die
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